Nature morte

Wassermelone

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Samenlose Früchte fortpflanzungsunfähiger Pflanzen gehören zum Sortiment der großen Discounter. Eine Gefahr, die ich bei ihrer Verbreitung sehe, ist, dass sie bald einen Besuch bei der Kunsthalle Hamburg nötig machen, damit unsere Kinder anhand eines Stilllebens Ruoppolos aus dem 17. Jh. feststellen können, wie richtige Wassermelonen aussehen.

Eine andere Gefahr ist, dass die einst natürliche Fortpflanzung, seit Jahrtausenden die Grundlage der landwirtschaftlichen Produktion, mit dem Einsatz fortplanzungsunfähiger Pflanzen über den Handel abgewickelt wird. Kommt der Handel nicht zustande, dann ist die Produktion nicht gewährleistet. Das macht den Bauern in einem bisher unbekannten Ausmaß von anderen Wirtschaftszweigen abhängig.

Appelle an die Konsumenten, solche Waren zu boykottieren, werden nicht funktionieren. Genmanipulierte Wassermelonen schmecken wassermelonig – ja wassermeloniger als echte. Wenn sie auch noch günstig sind, wird sie der Konsument kaufen.

Als einziges Instrument gegen diesen Trend betrachte ich die Kategorien- und die Definitionslehre, die seit Jahrzehnten von Patentanwälten mit Erfolg genutzt werden, um geistiges Eigentum zu schützen. Es gibt einen Grund zu fordern, dass nicht-fortpflanzungsfähige Pflanzen wenigstens per definitionem anders heißen sollen, als die Pflanzen, von denen sie abstammen. Sie sind ja Mutanten, die keine gleichartigen Pflanzen hervorbringen können.

Neue Sprachregelungen könnten den Konsumenten davon abhalten, nicht fortpfanzungsfähige Waren zu kaufen und als Ansporn für den Anbau traditioneller Arten dienen, die die relative Unabhängigkeit des Bauern gewährleisten.

Einen analogen Fall, in dem die Welt mit einer geschickter Kategorisierung geändert werden kann, stellt der brauchtumsbedingte Transport von Verstorbenen aus Nairobi in das jeweilige Stammesgebiet. Gegen diesen, Übernachtungskosten für die ganze Trauergesellschaft nach sich ziehenden Transport, der Familien an den Rand des finanziellen Ruins treibt, riet seinerzeit der Philosoph Henry Odera Oruka der kenianischen Regierung, bestimmte Parzellen auf den Friedhöfen von Nairobi als Stammesgebiete umzudefinieren. Die Maßnahme wäre natürlich rational und hätte gute Chancen, akzeptiert zu werden.

Sie stellt sich gar nicht, die Frage, ob die Philosophie nützlich ist. Vielmehr stellt sich die Frage, ob Juristen oder Politiker gewillt sind, der Philosophie eine Chance zur Ausarbeitung praktischer Lösungen zu geben.

Kenyan farmer

Seedless fruit can be bought almost in every discounter. A danger which I can immediately deplore is the necessity to go to the Hamburg Art Gallery in order to show the kids Ruoppolo’s still life painting from the 17th century so that they have an image of how a real watermelon has to look like.

Another danger is that natural reproduction, since thousands of years a fundamental process for agricultural production, is mediated through commerce if plants cannot reproduce themselves. This makes the farmer dependent on other sectors of economy to a hitherto unknown extent.

Appeals to consumers to refrain from buying fruit from hybrids which cannot guarantee reproduction will almost surely not work. Seedless watermelons are very tasty and if they are cheap as well, there is no way for the majority of consumers to listen to these appeals.

I rather see the solution in a clever application of the parts of logic which concern definitions and categories. For decades, patent attorneys use these parts of logic in order to serve their clients. It is justified, I think, to demand plants which cannot reproduce themselves not to be called by the same name as the plant they come from – by definition. Certainly, they are mutants.

A new linguistic convention concerning these plants and their fruits would make some consumers rethink if they really want to buy the commodity. Therefore, the new linguistic convention which will ensure that seedless watermelons will be seen as belonging to a different category than natural watermelons, will be an incentive for farmers to cultivate the traditional plants and retain some relative independence.

An analogous case in which philosophy could help change the world by way of new definitions and reapplication of old categories is the custom of certain ethnic groups of Kenya to transport their dead to their ancestral territories when they die in Nairobi or, generally, far from “home”. The custom involves covering the transport and the expenses of mourners from Nairobi and threatens to ruin the family of the dead. To put an end to this, Henry Odera Oruka proposed certain areas in Nairobi cemeteries to be redefined as part of the territories of the ethnic groups. This reasonable measure would have chances to be accepted, or, at least, to make things easier for those who cannot afford the expenses.

The question is not whether philosophy is useful. The question is rather whether politicians and law experts would be willing to give philosophy a chance to prove its usefulness.

Kenyan funeral

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Wozu Zeit nützt

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Eine nette Folgerung aus Kants Lehre von der Zeit ist, dass wir es nicht merken würden, wenn die Zeit auf der Makroebene – anders als auf der Mikroebene – ungleichmäßig verlaufen würde. Das ist auch die Pointe dieses Beitrags, die sich allerdings nur über Ecken entdecken lässt. Wegen der gebotenen Kürze will ich die Gedanken nicht weiter ausführen. Hier sind sie:

Sie muss in den 50ern angefangen haben, die Gewohnheit der Athener, der Belgrader und sonstiger Städter des europäischen Südostens, den Morgenkaffee köcheln zu lassen und zwischenzeitlich etwas anderes zu erledigen. Dabei ist der orientalische Kaffee für großstädtische “jede-Sekunde-zählt”-Hektik ungeeignet. Er tendiert dazu überzuschäumen und zwar in gewaltigen Mengen. Aber Großstadt ist Großstadt. Man besorgte ein größeres briki, so dass der Kaffee den Rand beim besten Willen nicht erreichen konnte, und orientierte sich beim Packen der Brotzeit für die Kinder nach dem Gehör: Kam ein Wuu-uuu-usch von der Herdplatte, dann hieß das, dass der Kaffee aufkochte. Das brachte ein Problem mit sich: Da bei der Kaffeezubereitung im briki der Kaffee im Kaffeewasser kocht, ist das Getränk nach dem Aufwirbeln voll mit Kaffeepulver. Die Ablösung der Handmühle durch die elektrische Kaffeemühle, die eine extreme Feinmahlung erlaubte, hat dieses Problem schließlich gelöst.

Mit Philosophie der Zeit habe ich mich viel beschäftigt. Weniger allerdings mit der Soziologie der Zeit. Eigentlich sollten beide Bereiche etwas gemeinsam haben, denn die Philosophie der Zeit beschäftigt sich mehr mit der erlebten Zeit, weniger mit der Zeit der Physik. Die Zeit ist für die Philosophie vordergründig das, was temporalisierte Aussagen der Alltagssprache zum Ausdruck bringen, nicht die physikalische Größe. Jedenfalls habe ich mir über die philosophische Dimension der Soziologie der Zeit nie besonders Gedanken gemacht. Zu solchen Gedanken brachte mich jüngst eine Freundin.

Bevor sie mich zu diesen Gedanken brachte, hatte mir Sharona vor wenigen Monaten ein briki aus Jerusalem gebracht – kein besonders großes, muss ich sagen. Ich benutzte bisher lieber ein größeres. Wie jeder Großstädter mache ich immer was nebenher, wenn der Kaffee kocht, und orientiere mich nach dem Gehör, wenn mein Ristretto seinen Platz auf dem Tisch an einen Mokka abgeben muss.

Als Sharona gern Kaffee in unserer Küche zubereiten wollte, gab es sowieso keinen Mokka zu Hause. In Deutschland findet man fast ausschließlich Kaffee der großen griechischen und türkischen Kaffeeröstereien, d.h. mild gerösteten Mokka, selten die starken Mokka des Mittleren Ostens und des Balkans, die ich schon seit meiner Athener Zeit trinke. Was ich noch da hatte, waren Espressobohnen. Wegen ihrer Röstung zwar genau das richtige, aber ohne eine professionelle elektrische Kaffeemühle bereitet man insbesondere heute wie gesagt keinen orientalischen Kaffee zu.

Sharona wollte nahelegen, dass sie das Problem lösen kann: “Alles hat mit der Zeit zu tun”.

– Selbstverständlich…

– Und die Zeit hat mit Geduld zu tun.

Sie mahlte die Espressobohnen mit der Handmühle und geierte über dem Kaffee, ohne “diese Zeit zu nutzen”. Sie wartete geduldig ab und kurz BEVOR der Kaffee hochschnellen konnte, hat sie ein paar Tropfen kaltes Wasser in das Getränk hineingegossen. Der Kaffee ging schlagartig zurück und nach einer Minute ging es wieder los. Sie blieb wachsam und absorbiert von ihrer Aufgabe und nahm das briki von der Herdplatte wieder BEVOR das Getränk hoch ging.

Einerseits, eine vergeudete Zeit. Wir hätten einen Ristretto stattdessen haben können.

Aber können wirklich die insgesamt fünf Minuten, die wir nicht anderweitig nutzten, als “vergeudete Zeit” gelten?

Briki

Kant’s theory of time implies that if time would pass non-uniformly on the macrolevel but uniformly on the microlevel, we wouldn’t notice it. This is the point of this posting. To remain brief, I wouldn’t elaborate much, though. These are my thoughts:

I assume that it was in the 50s when the population of Athens, Belgrade and other cities of Southeastern Europe started to put the coffee to boil and did something else in the meantime. NB, oriental coffee is not appropriate for the “every-second-is-valuable”-attitude. It foams and foams over the edge of the briki just in the moment you happen to look away. But this is how living in the city is. People bought a bigger briki, so that the edge would be too high for the coffee to foam over the edge and when a woo-ooo-oosh came from the stove it was ready. Boiling, however, resulted to coffee sediment whirled all over the drink; resulted to an undrinkable coffee. This problem was solved by the electric coffee mill which enabled an extremely fine grinding of coffee to make the particles practically unnoticed.

I have occupied myself with the philosophy of time. The sociology of time has never drawn my attention although these two subjects have much in common. Philosophy of time has, for example, more to do with the experience of time than with the time of physicists. Time is for philosophy the thing expressed by tensed sentences of natural languages, not just a vector in physics. The other day, a friend made me make thoughts on the relationship between the philosophy and the sociology of time.

Sharona gave me a few months ago a briki from Jerusalem – not a big one… Since I always look away and only rely on my ears when my oriental coffee boils (I come from a big city after all) I hadn’t used it. Additionally, though genetically a Greek, whenever I haven’t had the opportunity to buy black-roasted Arabic or Balkan oriental coffee I don’t buy one. The mild, Turkish and the Greek roasting gives coffee a sour taste. Since my time as a student in Athens, I’ve been preferring the oriental coffee which Lebanese or Yugoslav friends brought me. In Germany, however, it’s hard to find anything else but the standard (sour and mild!) brands from Athens or Istanbul.

Now, Sharona wanted to use the briki she had bought me in Jerusalem. But I had only unground espresso here. Quite the roasting we needed, of course, but, as I said, without a professional electric mill – not my beer.

So, Sharona explained that she can solve the problem: “Everything has to do with time”.

– Quite my opinion…

– And time has to do with patience.

She observed carefully the surface of the coffee and didn’t “use her time”. She awaited and just seconds BEFORE the drink could go up she took the briki from the heat. She poured some drops water in it and she repeated this procedure until seconds BEFORE etc.

In a sense it’s time lost. We could have had a ristretto instead and washed some dishes in the meanwhile.

From another point of view though, five minutes is a time too short to be lost.

Gender, shopping, reasoning

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Bei alltäglichen Schlussfolgerungen haben wir bereits als Kinder gelernt, die Monotonie einer Ableitung vorauszusetzen. “Da die Mama sauer wird”, so haben wir räsonniert, “wenn ich das Parkett unter Wasser setze, und da sie auch noch sauer wird, wenn ich das Sofa bemale, dann wird sie ebenfalls sauer, wenn ich gleichzeitig das Parkett unter Wasser setze UND das Sofa bemale”. Später lernten wir, dass wir solche Gedankengänge mit einem “erst recht” begleiten können: “… dann wird sie ERST RECHT sauer, wenn ich gleichzeitig…” usw.

Solche Gedankengänge sind nützlich aber altmodisch. Die Wissenschaft lebt von der Entdeckung des Neuen. Man denke an die Mathematik: Die alten Kulturen kannten nur die rationalen Zahlen, bis die Pythagoreer die irrationalen Zahlen entdeckten. So blieb es auch lange Zeit, nicht allerdings ewig. Seit dem 16. Jh. kennen wir die komplexen Zahlen.

Ähnlich verhält es sich in der Logik. Lange waren alle Logiker Aristoteliker. Erst Anfang des 20. Jh. erkannten sie, dass die Logik des Aristoteles nur unter bestimmten Bedingungen gilt. Jüngst sind sogar bestimmte Widersprüche in der Logik zulässig. Das Umstoßen der Monotonie ließ auch nicht auf sich warten.

Nehmen wir das Beispiel eines Mannes, der mit Frauen gewissermaßen kein Glück hatte – und zwar in dem Sinn, dass er zuerst mit einer befreundet war, der er peinlich war. Sie verbrachte die Nacht bei ihm, tagsüber wollte sie sich aber neben ihm niemals blicken lassen. Er trennte sich von ihr und verliebte sich in eine verheiratete Frau, die ihn bei Tageslicht traf, nachts aber zu ihrer Familie wollte. Von diesem Mann kann man sagen, dass er unglücklich war, als er am Tag auf die Präsenz einer Frau verzichten musste; ebenfalls unglücklich, als er nachts auf die Präsenz einer Frau verzichten musste. Gälte hier die Monotonie, dann würde folgen, dass der Mann erst recht unglücklich würde, wenn er Tag UND Nacht auf die Präsenz einer Frau verzichten müsste. Nehmen wir jedoch an, dass unser Freund – seiner Eskapaden mit komplizierten Fällen überdrüssig – Mönch und damit endlich glücklich wird, obwohl er tags UND nachts auf die Präsenz einer Frau verzichten muss! Modebewusste Logiker sagen, dass dieses Beispiel den Fall eines nichtmonotonen Schließens darstellt.

Eine kleine aber feine Gruppe eingeschworener Forscher der Nichtmonotonie sucht nach ähnlichen Beispielen und versucht diese zu formalisieren. Es ist in der Gruppe Konsens, dass nichtmonotones Schließen bestimmten Fällen der Überzeugungsrevision, des Gesinnungswandels, des Umdenkens zu Grunde liegt. Das Paradebeispiel hierzu ist politisch unkorrekt. Eine Frau geht in einen Schuhladen zum Shoppen und hat wie üblich viele Paare ausprobiert (man kann zwar auch von einem Mann sprechen, aber man muss glaubhaft machen, dass ein Mann tatsächlich im Schuhladen shoppt, d.h. sich dort länger als zehn Minuten aufhält). Auf einmal fasst sie folgenden Gedanken: “Ich werde in diesem Laden Schuhe kaufen, wenn es diese rotfarbenen im Schaufenster in einer dezenten Farbe gibt. Ich mag keine Schuhe in grellen Farben”. Also fragt sie die Verkäuferin, ob es diese Schuhe in anderen Farben gibt. “Selbstverständlich” antwortet die Verkäuferin, “in Türkis”.

Unsere Shopping-Heldin hasst türkisfarbene Schuhe mehr als rote. Also lehnt sie ab. Genauso die gelben, da Gelb eine Farbe ist, die sie sogar mehr als Türkis hasst. Ob es diese Schuhe in einer dezenten Farbe gibt? Wenn nicht, muss die Kundin weiter suchen. Leider sind das alle Farben gewesen. Die Kundin überlegt kurz und sagt: “Ach, was soll’s… Ich kaufe die roten!” – statt monoton zu schlussfolgern: “ERST RECHT kaufe ich hier nicht ein, wenn sie außer Rot, nur noch Türkis und Gelb haben”.

Ähnliche Gedankengänge beim Überzeugungswandel sollen experimentell reichlich belegt sein, was gern als Ansporn verstanden wird, nichtmonotones Denken als Bestandteil einer rationalen Überzeugungsrevision anzusehen.

Zudem können Beispiele wie die vorgenannten emanzipierten Frauen wie Andrea Nye oder meiner eigenen Ehefrau als Evidenz dazu dienen, von einer “Frauenlogik” zu sprechen. Der Mönch und die Kundin im Schuhgeschäft würden nichtmonoton schlussfolgern, weil sie – um es mit Nye auszudrücken – die “maskuline Logik” abgelehnt hätten.

Ich glaube nicht, dass es eine originäre Frauenlogik gibt. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass alle Beispiele “nichtmonotonen Schließens”, die man anbieten kann, nichts als banale Fälle monotonen Schließens unter gewissen Bedingungen darstellen. Nehmen wir z.B. unseren Mönch. Wenn er eine Freundin hatte, dann war er unglücklich, als er diese tagsüber oder in der Nacht nicht traf. Als Mönch ist er nun glücklich, nicht weil sich sein Fall etwa nichtmonoton beschreiben lässt, sondern weil die erste Bedingung wegfällt: Nach dem Zölibat hat er ja keine Freundin mehr. Unglücklich war er aber unter der Bedingung, dass er eine hatte – und vermisste. Als Mönch kann er keine Frau vermissen, die er nicht hat. Der Fall lässt sich durchaus als monotones Schließen beschreiben.

Ebenso die Kundin. Ihrer Entscheidung für die roten Schuhe liegt nicht Nichtmonotonie, sondern eine stillschweigende Bedingung zu Grunde: “Wenn ich keine dezente Farbe finde, muss ich wohl (unter der Bedingung, dass ich nicht müde bin) weiter suchen”. Anscheinend traf die stillschweigende Bedingung nicht zu: Sie wurde langsam müde.

Kant (“Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?”, A 482) geißelte die selbst gewollte Unemanzipiertheit der Frauen. Im Grundtenor stimme ich mit ihm überein. Ich bejahe ja das Anderssein, sehe allerdings nicht ein, wie Mönchen und Laien, Frauen und Männern eine intellektuelle Andersheit zugeschrieben werden könnte.

Shopping

Since we were children we learned to presuppose the correctness of monotonic reasoning.  “I know that mom gets angry when I damage the parquet floor and I know that she gets angry when I paint the sofa. And this is why I know that, if I damage the parquet floor and paint the sofa at the same time she will get angry again”. Later, we learned that this reasoning can be accompanied by a “let alone”: “She gets angry when I do this and she gets angry when I do that, LET ALONE when I do both”.

These were the useful inferences of the time when we were still young and naive. But they’re out of fashion. Science strives for the new, the sensational. Mathematics, for example: the old cultures knew the rational numbers until the Pythagoreans discoverd the irrational numbers. Long time we rested on this discovery until at once, in the 16th century, the imaginary numbers emerged.

The situation in logic is similar. Logicians were Aristotelians for a very long time until they discovered that Aristotelian logic is only correct because it presupposes some semantic restrictions. As of today, even contradiction, of course under some restrictions, is allowed. It would be simple-minded to expect monotonicity to escape the trend.

Imagine, for example, a man who had no luck in his sexual life in the following sense: he had a girlfriend who contempted him. She would spend the night with him but kept it secret that she had an a affair with him – and never met him during the day. He left her for a married woman who would meet him during the day but spent every evening with her family. He was unhappy with the first as much as he was with the second. Since we know that he was unhappy without a woman during the day and unhappy without a woman during the night, we would be justified to conclude that he would be unhappy without a woman day-and-night. Let’s assume now that our friend, weary of adventures with complicated persons, goes to a monastery and swears celibacy to feel at last happy. Fashionable logicians would say that his happiness is a case of nonmonotonic reasoning.

A small but dedicated group of nonmonotonicity experts investigates similar examples and tries to analyze them adequately. They agree that belief revision is in many cases combined with nonmonotonic reasoning. A very usual example is the following (be warned, it’s not politically correct): A woman walks into a shoes shop  (of course, you can also say “a man walks into a shoes shop” but since the example demands that the person who does so stays in the shop for more than ten minutes, it’s better to begin with a woman). After many-many shoes she focuses on a pair of red ballet pumps and makes up her mind to buy them in a less intense colour. To her great disappointment, however, she learns that these shoes are produced also in turquoise. She’s already at the door leaving the shop when the seller shouts “Just a moment! We have them also in yellow”. She hates yellow more than even turquoise. She thinks for one moment and says “I’ll buy the red ones, alright”.

Surely, if the lady’s rules of reasoning involved monotonicity she would say to herself: “I don’t buy here if they have shoes I don’t like, LET ALONE if they have shoes I don’t like and more shoes I don’t like”. But the thought of herself wearing yellow ballet pumps obviously made her change her mind on behalf of the thought of herself wearing red ballet pumps.

According to experimental evidence, similar cases are very usual and probable. Belief revision, so it seems, presupposes nonmonotonicity as a norm, not as an irrational deficiency. Emancipated women like Andrea Nye and my own wife would speak in this context of a “female logic”. The monk and the customer of the aforementioned examples do nothing but reject the “masculine logic” – to use Nye’s terminology.

My opinion is that there is no logic which is characteristic of women alone. In fact, I think that all examples of nonmonotonic reasoning which are mentionend from guest lecture to guest lecture and from conference to conference appear to be trivial examples of monotonic reasoning with at least one tacit condition. Let’s revisit our monk. He was unhappy when he missed his girlfriend during the day or during the night – NB, under the tacit condition that he had a girlfriend. As a monk, he disallowed this condition! With the help of celibacy, he cannot miss a girlfriend he does not allow himself to have. Therefore, having no girlfriend day-and-night is not an annoyance to him, although it was an annoyance to him not to have his girlfriend during the day alone or during the nicht alone. The peculiar thing in his case is not nonmonotonicity but the tacit condition.

Similar is the case with the customer. With the addition of a tacit condition, her decision on behalf of the red shoes can be analyzed better than it can be analyzed with nonmonotonicity: “(Unless I feel too tired to look further) if they don’t have the ballet pumps in a less intense colour, I’ll go to the next shop”. Obviously, it’s the tacit condition (here in brackets) which did not hold. Women get tired of shopping as much as men do.

Kant (“What is Enlightenment”, A 482) reprimanded especially women of self-imposed nonage. I find the main tenor of his thought fruitful. Saying that monks and laymen, women and men are not different in terms of their intellect is not to negate that they can be different in other respects.

Ignorabimus

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Der halblateinische Satz stammt von David Hilbert, dem Mathematiker, der Anfang des 20. Jh. die Agenda der Mathematik diktieren wollte:

In der Mathematik gibt es kein Ignorabimus

Will sagen, in der Mathematik gibt es keine Probleme, die ungelöst bleiben werden, obwohl alles vorhandene Hintergrundwissen offen liegt.

Hilbert meinte, dass die Mathematik dem Alltagsgefühl entgegensteht, alles verfügbare Wissen erschlossen zu haben, ohne zu nützlichen Resultaten je kommen zu können. Dass sich aber selbst in der Mathematik ähnlich wie im Alltag verhalten kann, wissen wir seit Gödels Unvollständigkeitssatz: Mathematische Wahrheiten ohne Beweisverfahren gibt es genauso gut wie den Verlust von Socken ohne vernünftige Erklärung über ihren Verbleib. Zwar würde ein Platonist oder ein anachronistischer Hilbert-Revisionist meinen, dass die Mathematik und das Problem der einzelnen Socken nichts miteinander zu tun haben, da das Schicksal der verlorenen Socken nur auf Zufall beruht, während in der Mathematik nichts dem Zufall unterliegt.

Aber dass die unbewiesenen mathematischen Wahrheiten diese und keine anderen sind, ist in einem Sinn auch zufällig. Wenn es in einem Sinn notwendig wäre, dass die-und-die Wahrheiten nicht beweisbar sind, dann ließe sich anhand von anderen Wahrheiten erklären, dass diese zwar Wahrheiten sind, die aber ohne Beweis bleiben müssen. Infolge dessen hätte es somit eine Ableitung dieser Sätze gegeben, was gegen die Annahme ist, dass sie ohne Beweis sind.

Analog dazu gibt es keine Erklärung dafür, warum das Sockenmonster gerade diese Socken fraß.

Hilbert und Socken

The semi-Latin quote is typically associated with David Hilbert’s ambition to set the agenda of mathematics in the early 20th century:

In mathematics there is no ignorabimus

Hilbert trusted that in mathematics there will be no problems bound to remain unsolved after all background knowledge will have been available to us.

Mathematics was for Hilbert a discipline which opposed to the everyday experience of no useful results despite much knowledge. However, since Goedel’s incompleteness theorem we know that there are unproven mathematical truths just like there are unexplainably missing socks. A Platonist or an anachronistic Hilbert revisionist would say, of course, that mathematics and the problem of single socks are different since there is not a fate of a missing sock: socks are missing accidentally. In mathematics there is nothing accidental – at least so they would say.

Notice, however, that the fact that this and this are unproven mathematical truths is also accidental. If it were not, then there would be some mathematical truths which would explain why the unproven mathematical truths are truths but unproven. But this would, of course, be to prove them against the assumption that they are unproven.

Analogously, there is no explanation for the fact that, of all socks, the sock monster ate these-and-these.

Die da – die da – die da – Didaktik…

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Die didaktische Darstellung des Lehrstoffs der Logik macht viel aus. Eine der großen Schwierigkeiten der Studierenden der Philosophie in der einführenden Logik-Lehrveranstaltung besteht darin, ein intuitives Verständnis für den Unterschied zwischen freien und unfreien Variablen zu entwickeln. Die gewöhnliche informelle Interpretation des Existenzquantors: “Es gibt mindestens ein x” ist nicht dazu behilflich, zwischen unfreiem und freiem Vorkommen des x zu unterscheiden, da letzteres oft informell als “ein x” angedeutet wird – auf sehr ähnliche Weise also.

Ich finde, dass englischsprachige Studierende der Philosophie im ersten Semester bereits von ihrer Muttersprache eine erhebliche Hilfe erhalten, wenn sie ∃xFx informell als “Some x is F” formulieren, Fx dagegen als “Any x would be F”. Logiker würden im Sinne der Logikdidaktik ihren Studenten etwas Gutes tun, wenn sie in Anlehnung an das Englische ein unfreies x informell “Manch ein Individuum”, ein freies x dagegen “Ein beliebiges Individuum” nennen würden.

Dass Lehrende sich mehr Gedanken über Didaktik machen, ist wohl zu erwarten, nachdem die Studentenevaluationen einen nicht unwichtigen Bestandteil von immer mehr Berufungsverfahren und Vergaben von Lehraufträgen ausmachen.

Freie und unfreie VariablenI envy those who started studying logic in English. The English language helps develop an intuitive grasp of the difference between unfree and free variables without first having to explore many formal contexts to get familiar with the notions. “Some x is F” is a very useful semiformal expression for ∃xFx and “Any x would be F” a no less useful for Fx.

Of course, also in other languages, one can get inspiration from these English expressions and offer – I confess somehow artificial – expressions for the semiformal logic jargon. This is a task which could result to a logic didactics.

I expect didactics to become more and more important in German universities after more and more departments ask those who candidate for a job to submit students’ evaluations for the courses they have been teaching.

Langue à l’antique

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Es gibt bestimmte grammatikalische und syntaktische Strukturen, die Rückschlüsse darauf bieten, in welchem Jahrhundert der Sprecher am besten leben möchte. Dativendungen auf -e und die Verwendung des Genitivs sind z.B. bezeichnend für eine traditionalistische Gesinnung.

Aber auch auf der Ebene des Stils kann man Ideologisches erkennen: Nominalstil verbinde ich mit der Moderne, mit Bürokratie, mit unpersönlichem, effizienzorientiertem Handeln. Folgendes, von Christian Bergmann (Die Sprache der Stasi, Göttingen 1999, 90) zitiertes Beispiel spricht Bände:

Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit zur Qualifizierung der Entwicklung und Bearbeitung operativer Vorgänge … sind die Festlegungen über die Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung konsequent durchzusetzen.

Im Verbalstil wirkt dagegen dieselbe Anordnung traditionell, mittelalterlich, kirchlich, fast persönlich, zart und naiv:

Wenn wir führen und leiten, um operative Vorgänge aufs Beste zu entwickeln und zu bearbeiten, … müssen wir alles, was wir festlegten, um zu gewährleisten, dass wir konspirativ sind und unser Handeln geheim halten, konsequent durchsetzen.

Sportjournalisten benutzen Fremdwörter und Neologismen, reden an der Hochsprache vorbei, verschandeln manchmal Grammatik und Syntax des Deutschen, wollen personen- und nicht effizienzorientiert wirken. Letzteres erreichen sie mit einem Verbalstil, der zusätzlich mit vielen Metaphern angereichert wird, auch mit Metaphern, die klischeehaft benutzt werden – was sehr untypisch für eine Metapher ist.

Das Fußballdeutsch ist traditionalistisch und möchtegern-poetisch.

Langue

In German grammar and syntax there are structures which show in which century the speaker would prefer to live. Imagine a speaker of English who speaks like one is supposed to write to get the idea. Dative forms ending with an -e und and the usage of the genitive in the spoken language would be two examples which indicate a traditionalist mind set.

Tacit ideological constraints can be discovered in the stilistic dichotomy between nominal and verbal style. I associate the former with modernity, bureaucracy and an emphasis to impersonal efficiency. I translate a passage which stems from the archives of the East German state security (quoted by Christian Bergmann, Die Sprache der Stasi, Göttingen 1999, 90):

Actions of direction and guidance to guarantee the development and further elaboration of operative processes … involve the consistent implementation of the guidelines which guarentee the conspirative and secret character of these processes.

Once “translated” into the verbal style, the same passage sounds old-fashioned, medieval, church-like, almost personal, smooth and naive:

When we act in order to direct and guide so to guarantee that operative processes can be developed and further elaborated … we take care to implement consistently the guidelines which guarantee that these processes may remain conspirative and secret.

German sportcasters use many loanwords and neologisms, they never use the standard German, they even maltreat the German grammar and syntax, finally they want to sound caring, not efficiency oriented. They achieve this last point with the help of a verbal style and many metaphors, also with metaphors which are clichés – a very untypical thing for a metaphor to be.

Football German is a language which, despite linguistic level, sounds traditionalistic. And one which, because of linguistic deviations, sounds wannabe poetic.

Integrity

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Die Evaluationen von Personen und Fachbereichen aufgrund der von der Person oder im Fachbereich produzierten Peer-Review-Publikationen ist eine Entwicklung in der Wissenschaft, die mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lange auf sich warten lässt. Gerade als jemand mit ein paar derartigen Publikationen muss ich wohl der Entwicklung positiv gegenüberstehen. Im Kongress der Gesellschaft für analytische Philosophie des Jahres 2012 zirkulierte ein Thesenpapier, das der Entwicklung ebenfalls positiv gegenüberstand allerdings mit ein paar Bedenken, die ich bis vor ein paar Monaten nicht teilte. Ein paar Beobachtungen der letzten Monate, über die ich übrigens manchmal lachen musste, ließen mich umdenken.

Das anonymisierte Peer-Review-Verfahren für Publikationen macht Sinn, finde ich, wenn wir dem entgegenwirken wollen, dass ein philosophisches Alphatier seinen Mitarbeitern viele Publikationen in Sammelbänden ermöglicht, um just diese Publikationen später als hervorragend zu bewerten. Ein anonymisiertes Verfahren für die Qualitätssicherung der wissenschaftlichen Arbeit garantiert, dass das Alphatier nicht gerade das im nachhinein als “kreativ” betrachtet, was es vorweg selber absegnete.

Aber das anonymisierte Verfahren muss natürlich einen Unterschied zur Taktik des philosophischen Alphatiers machen, ansonsten gibt es keinen besonderen Grund, ein solches Verfahren einzuführen.

Diesen Unterschied gibt es allerdings nicht, wenn der Herausgeber einer Zeitschrift eingereichte Manuskripte noch vor dem Peer-Review-Verfahren ablehnen darf. Einen Unterschied gibt es auch dann nicht, wenn die Gutachter vom Herausgeber ein Paper in die Hand bekommen, das an den Instituten der Gutachter bereits vorgestellt worden war. Oder wie soll man sonst diese ominöse Fußnote Nummer 1 in vielen “Peer-Review”-Artikeln verstehen: “Für wertvolle Verbesserungen und Diskussionen möchte ich mich an dieser Stelle bei XY in Saint Andrews, bei YX in Glasgow, bei XX in Durham und bei YY in Cambridge bedanken, wo ich frühere Versionen meiner Arbeit vorstellte”? Wenn die Gutachter das Paper selbst kennen, braucht man in keinem anonymisierten Verfahren den Namen des Autors zu verheimlichen. Die “Peers” können sich gut erinnern, mit wem sie nach dem Vortrag des Papers weggegangen sind, um ein Bier zu trinken und aus dem Peer-Review ein Beer-Review zu machen.

Schließlich macht die als Peer-Review-Organ geführte Zeitschrift keinen Unterschied zur traditionellen Taktik des Alphatiers, wenn sie unwahrscheinlich oft Artikel von bekannten Freunden des Herausgebers (gleichzeitig des Alphatiers) bringt. Besonders ironisch wirkt das, wenn sich darunter Artikel zur Wahrscheinlichkeitstheorie befinden.

beer-review-form-filled

Evaluations of institutes and persons on the basis of the peer reviewed publications which the institutes or the persons have brought forth come sweeping across the landscape of science. As someone who has authored such publications I had a positive overall view on this development. In the last congress of the German Society of Analytic Philosophy (GAP) there was a non-paper circulating, one which also affirmed the development but without hesitating to express some concerns. Now, a couple of cases with which I had to laugh make me share these concerns with some delay.

Anonymized peer reviewing makes sense if we want to prevent a philosophical alpha’s decision to make beta animals publish things which he, the alpha, will be able to call “excellent” or “creative” only after he has already blessed them.

However, if anonymized peer reviewing makes no difference in comparison to the alpha’s aformentioned tactic, there is no reason to introduce it.

And indeed, I cannot help myself missing this difference when the editor of a journal which is supposed to be “peer reviewed” has the right to reject papers without forwarding them for peer reviewing. I also find no difference when I read, mostly as footnote nr. 1, declarations like the following: “My thanks go to XY in Saint Andrews, YX in Glasgow, XX in Durham and YY in Cambridge, where I presented previous versions of my paper”. When the referees happen to know the paper, is there any chance that they would not remember the person who presented the paper to them, to go subsequently for a beer with them and to make a beer review out of the peer review? Which is the use of anonymizing the paper in this case?

Finally, I fail to discover any difference between the traditional behaviour of philosophical alphas and peer reviewing when an editor’s friends publish in their friend’s – nominally! – peer reviewed journal with an improbable frequency. The special irony in this case is when the friends’ articles are on probability theory.