Dying before Christmas or: The new Peisithanatoi

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Zu Fuß waren wir unterwegs, mein Bruder Konstantin und ich, vor dem Versuch des großen Gropius, sich mit dem Parthenon zu unterhalten. Als mein Bruder ist er das einzige Element einer Menge. Ich habe keine anderen Geschwister. Aber bei weitem nicht das einzige Element griechischer Sarkasten. “Ich war immer neugierig”, sagte er, “zu erfahren, mit welchen fadenscheinigen Argumenten Bestatter einem den teureren Sarg anzudrehen versuchen. Jetzt werden wir endlich diese Neugier stillen”. Ich lachte. Warum Geld ausgeben für eine Ware, den Sarg, die der Nutzer gar nicht wahrnehmen kann? Unser Vater war eine halbe Stunde vorher in einem Krankenhaus in Athen-Zentrum gegenüber der amerikanischen Botschaft gestorben. August 2017.

Unseren eigenen Tod werden wir nicht wahrnehmen. Deshalb finde ich, dass das Argument von Exit für den assistierten Suizid angesichts der im Freitod enthaltenen Selbstbestimmung eine fragliche Verwendung von “selbstbestimmt” enthält. Ich bestimme selber mein Studium, meine nationale oder soziale Identität, damit ich frei bleibe. Tote Menschen sind aber nicht frei. Sie sind jenseits von Freiheit und Unfreiheit.

Es gibt Wirtschaftszweige, die das Gefühl verkaufen, nach dem Tod wären wir froh, in einem schönen Sarg zu liegen, in einer Urne nicht von Würmern gefressen zu werden, selbstbestimmt gewesen zu sein usw. Ich verstehe nicht, wie solche Unternehmen argumentativ punkten. Sie tun es anscheinend, sonst würden sie nicht existieren.

Es gab einen Philosophen in der Antike, Hegesias Peisithanatos (“der zum Tod Überzeugende”), der seinen Schülern beibrachte, das Vernünftigste, was sie mit ihrem Leben machen könnten, wäre es, es vorzeitig zu beenden. Sicher wird er die Bezahlung für seine Dienste im Voraus verlangt haben. Wie Exit.

Wenig finde ich, was die Antike uns nicht vorlebte. Gropius und Bauhaus: Das war der Parthenon. Hegesias lebt nicht im hellenistischen Ägypten, sondern er heißt heute Exit und operiert in der Schweiz. Was die Antike nicht hatte, war natürlich Weihnachten und die verzweifelten Menschen im Advent. Bereits hatte ich meine Vorweihnachtszeit-Zugverspätung wegen “Notarzteinsatzes” für dieses Jahr.

Hegesias’ Bücher waren unter Ptolemaios I. von Ägypten verboten, da sie zum Selbstmord animierten, Ich vermute daher, dass es des Ptolemaios Geburtstag war, den die Selbstmorde nach Hegesias’ Lehre beschatteten. Der Geburtstag eines Königs, der in Ägypten unterwegs war. Das trifft sich gut.

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We were walking to his car on the pavement opposite to the great Gropius’s attempt to discuss with the Parthenon. Constantine has the one-member property to be my brother. I have no other siblings. And an, in Greece, shared with hoi polloi property of being sarcastic. “I was always curious”, said he, “to hear the defeasible arguments with which an undertaker would try to make you buy the more expensive coffin. At last my curiosity is close to its being satisfied”. I laughed. What’s the point of spending money for a commodity whose user is dead? Our father had died some thirty minutes ago in a hospital in downtown Athens, opposite to the American embassy. It was the August of the year 2017.

When we’re dead, we’re too dead to know that this is the case. Which is the reason why I find Exit‘s slogan for assisted suicide: “Self-determined until the end” based on a flawed argumentation and, indeed, a false use of the term “self-determined”. I can determine what I’ll study, what my national or social identity is, to remain free. When I determine how I die, I don’t remain free. In fact, I don’t remain anything or anywhere. The dead are beyond freedom and unfreedom.

There are market branches which sell one the feeling that one is happy post mortem: happy to lie in a beautiful coffin, happy as ashes in an urn to avoid being eaten by worms, happy to determine one’s own death. I don’t understand how such service providers persuade customers. They must do so, otherwise they wouldn’t exist.

This ancient philosopher, Hegesias Peisithanatos (“the death-convincing”), taught his students that the most reasonable thing they could do with their lives was to put a premature end to it. I reckon that he demanded payment in advance for his services – like Exit.

In general I don’t find much today that the antiquity would have failed to experience before us. Bauhaus and Gropius: this is Parthenon. Hegesias is called today Exit and lives far away from the Hellenistic Egypt, in Switzerland. OK, Christmas didn’t exist, so that the despaired didn’t commit suicide in December. I already had my pre-Christmas train delay this year for what German Rail calls an “emergency aid”.

Hegesias’ s books were banned by Ptolemaios Ist of Egypt because they encouraged people to commit suicide. I assume that it was Ptolemaios’s birthday that was shadowed by the suicides back then. The birthday of a king who spent a part of his life in Egypt. Which fits with what we have nowadays.

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Coemeterium et coemesis

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Friedhöfe sind traurige Orte. Alte jüdische Friedhöfe in Deutschland geben mir einen zusätzlichen Grund zur Traurigkeit, die unabhängig von den Trauerfeiern ist, die in ihnen begangen wurden. Wenn zumal kein Weg zu oder aus ihnen führt wie am alten jüdischen Friedhof von Hürben im bayerisch-schwäbischen Krumbach, wirken sie wie losgelöst von der Welt. Dass es sie heute noch trotz der 30er und 40er Jahre gibt, ist auch nicht von dieser Welt.

Die Gottesgebärerin Maria, deren Entschlafung am 15. August gefeiert wird, soll direkt in den Himmel aufgefahren sein. Das erscheint wohl als die falsche Assoziation zum jüdischen Friedhof; vermutlich eine aus dem Umstand resultierende, dass ich den Wunsch nach dem Himmel für Ausdruck der Ausweglosigkeit auf Erden halte. Das klingt jetzt marxistisch, ich weiß… Nicht meine Absicht.

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Cemeteries are places of mourning. Especially old Jewish cemeteries in Germany I find sad independently of the mourning. If they stand in the middle of nowhere, no path to lead to them like the one in Krumbach in the Bavarian Swabia, they seem to be out of this world. For an old Jewish cemetery to have survived the 30s and 40s is something not of this world anyway.

The Mother of God, whose dormition is celebrated on August 15th by the Orthodox and the Catholics, is said to have moved to heaven. You may think that the Jewish cemetery without a path is not a matching association with this. Probably I have it because I think that no way out of a situation (take the word in its Sartrian sense) is the main reason for people to opt for a religious stance.

This sounds probably Marxist. Not my intention.

A language’s range and rage

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Ausnahmsweise fange ich – sehr klassisch heute, mitfühlend mit meinen beiden Protegés, die in ihren Ferien eine wohlstrukturierte Fünf-Kapitel-Arbeit schreiben lernen müssen – mit der These an: Orientalischer Sprachgebrauch hat unseren Sprachgebrauch im Westen Jahrtausende lang geprägt, aber das hört langsam auf. Damit wird die Sprache plump. Nicht nur trocken. Trockenheit ist nicht das Problem. Plump.

Orientalische Stilmittel im Westen sind bis zum heutigen Tag und größtenteils auf den Einfluss des Neuen Testaments zurückzuführen. Man macht eine Synekdoche mit dem lateinischen und dem hebräischen Namen des Apostels der Nationen, Saulus und Paulus, als wären diese Namen Träger des einen oder des anderen Glaubens; Berlin Tegel, um einen jüngst erschienenen Beitrag im Feuilleton der Süddeutschen zu erwähnen, ist ein Lazarus – will heißen wiederauferstanden, nachdem der Großflughafen Ewigkeiten auf sich warten ließ; Heuchler sind Gräber: außen weiß und geputzt, innen voller Verwesung. Überhaupt scheint Jesus ein Talent für aggressive Metaphorik und rhetorische Übertreibung gehabt zu haben.

Wenn ich Stilmittel wie Übertreibung und Metapher orientalisch nenne, dann will ich sie nicht ausschließlich auf das Griechischschreiben von bilingualen Syrern wie Johannes, Matthäus und Markus zurückführen. Noch vor dem Neuen Testament pflegten das Griechische und das Lateinische Übertreibungen und Metaphern. Wenn die hohen Erwartungen enttäuscht wurden, hieß es schon vor Christus: “Der Berg ging schwanger – geboren wurde eine Maus”. Orientalisch war die klassische Antike schon. Das Neue Testament ist aber sehr voll der Ironie und der Übertreibung.

Zum Beispiel Mt 8.22 & Lk 9.60 “Lass die Toten ihre Toten begraben” (im Neugriechischen heißt es übrigens immer noch “der Tote” in der Bedeutung: “der Untergegangene”; Paul Erdös nannte “Tote” alle seine Bekannten, die den aktiven Mathematikbetrieb an der Uni aufgegeben hatten).

Oder zum Beispiel frei nach Mt 23.24 “Guck einer an: Die Mücke kann er nicht im Rachen haben, das Kamel schluckt er aber so herunter” (über Leute, die ihre Prioritäten falsch setzen).

Ich verfolge die Debatten nach der Corona-Zeit: im Deutschen Bundestag, im Schweizerischen Nationalrat. Meistens eine kühle Technokratensprache. Das klingt beruhigend und nach Fortschritt in jemandes Ohren, der seine ersten Wahrnehmungen der politischen Sprache im Kalten Krieg machte, welcher wiederum in Sachen Sprache ja hitzig war.

Andererseits lässt die vorsichtige Sprache kein größeres Engagement hervorschimmern; kein Risiko, ungerecht und falsch zu sein statt nur falsch. Ich weiß auch als Blogger, dass Vorsicht und lauwarmes Gemüt weniger Feinde und eventuell sogar mehr Freunde macht als Polarisieren. Ich versuche mit der gesamten Ehrlichkeit meines Westlerseins, ein Langweiler zu sein.

Ob mir das gelingt, ist eine andere Sache. Denn das Neue Testament ist fast (fast…) meine Muttersprache.

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Summertime, cotton’s high, fish are jumping and students trying for the first time in their lives to write a structured text with thesis, history of the debate, method, evidence and conclusion.

For a change, let me also start in a classical manner: with the thesis: Oriental language has influenced our style in the West in millennia of world history. However, slowly but steadily language becomes blunt. Occidental so to say. By this I don’t mean precise or dry. I mean blunt.

This appears to be a long process. Biblical exaggeration and metaphor are not once and for all banished from media today. In the German ans Swiss press, which I happen to read on a regular basis (I read rather rarely US and British newspapers, only the headlines of the Greek and the French, and I am completely an ignorant of the rest) I do find metonymies of the Sauls (and the souls) who become Pauls; allegories of the old airport of Berlin as a resurrected Lazarus after the new airport has been unable to operate for ages; metaphors about the hypocrites as graves, clean and tidy from the outside but full of decay and ptomaine inside. These are expressions one can still use and hear or read in western media and if you want to make the case of Jesus as a mild comforter, you have the burden of proof of a rather unlikely claim.

These and like expressions I call oriental. They should not be restricted to the influence of bilingual Syrian writers like Mark, Mathew and John to the Greek style of late antiquity and subsequently to modern languages. Greek and Latin, you see, have been “oriental” long before they adapted Syrian style. E.g. when their expectations were disappointed, Greeks and Romans spoke of the mountain’s pregnancy with a mouse. But the New Testament is a locus classicus for rhetorical tropes:

Cf. Mt 8.22 & Lk 9.60 “Let the dead bury the dead” (in Modern Greek one still calls losers: “the dead”; infamously, Paul Erdös called “dead” all those who had given up maths at the university for some other job).

Following the Covid-19 debates in the two or three parliaments whose decisions have a direct impact in my life I must state that the language is a sober technocrats idiom, one that sounds reliable in someone’s ears whose first experiences of political language were in the Cold War – NB a hot one in terms of rhetoric.

At the same time, distanced language makes the speaker sound indifferent. Without a deeper engagement. Speakers who take the risk to be false do fulfill a minimum of rationality alright. But the ones who demand you to invest emotions along with your thoughts, are speakers who take the risk to be false and unjust. As a blogger I do know that I make less enemies and even more friends when I avoid polarizing. And I do try to be boring.

The reason I do not succeed in being so? I suppose that comes from the fact that the New Testament is almost (I said almost) my mother tongue.

Graecum etsi legitur

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Egal wie man diese Art Gebäude nennt, die Bezeichnung ist ein griechisches Lehnwort. Was eigenartig ist, denn die griechische galt am Ostmittelmeer zu der Zeit, als die Kirchen “kyriaká” (= Herrenhäuser) bzw. “ekklêsíai” (= Versammlungen) benannt wurden, als eine notorisch religionskritische, philosophische Kultur.

Wenn man allerdings an die profane Nachwirkung des Christlichen denkt, in Bereichen wie etwa die Menschenrechte (Bartolomé de las Casas, Francisco de Vitoria) und die Aufklärung (Jean-Jacques Rousseau), ist das Oxymoron einer areligiösen Frömmigkeit, eines athenischen Jerusalem, genau der europäische kulturelle Rahmen.

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Whether you use Germanic or Romanic terms for them, you call churches after Greek loan words. E.g. “kyriaká” (= houses of the Lord, whence the word “church”) or “ekklêsíai” (= assemblies, whence the Romanic terms). And this despite the fact that at the time when these word loans were launched, Greekness was considered to be the most philosophical, indeed an areligious culture of the Mediterranean.

However, one only needs to consider how profane the greatest achievements of Christian thought on the social level are (the human rights after Bartolomé de las Casas and Francisco de Vitoria, the Rousseauist version of the Enlightenment), to realise that the oxymoron of an areligious piety, the Athenian Jerusalem, corresponds to the European context.

German News Magazine suggests to celebrate the Transfiguration on Easter

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Spiegel

Die Frage vom neuesten Spiegel kann ich nicht beantworten. Viele glauben an sowas. Aber wer das sind…

Noch etwas kann ich nicht beantworten. Wer hat so wenig Ahnung vom Neuen Testament oder von Kunstgeschichte oder von Beidem, dass er just an Ostern den christlichen Glauben belächeln will, dafür aber als Illustration ausgerechnet ein Gemälde Raffaels hernimmt, das sich nicht auf die Ostergeschichte bezieht, sondern eine völlig andere Episode, die Transfiguration, darstellt?

Also, ich meine, es gibt auch Kurse an der VHS und so…

Transfiguration_Raphael

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I can’t answer to the German weekly journal’s question: “C’mon, who believes in that now?” Many believe in that. I don’t know all their names…

And I can’t answer to one more thing: Who knows so little about the New Testament or about art history or about both to ridicule the Christian faith at Easter but choose a painting of Raffael for this, the Transfiguration, that does not refer to Easter at all but to another episode of the life of Jesus?

That beats me…

Kalo Paskha

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Ausgerechnet heute spiele ich den advocatus diaboli bzw. Quinei (Ich latinisiere mal Willard Van Orman Quine als “Villardus de Ormano Quineus”). Ein Außenstehender hätte heute Morgen bei uns in der Großfamilie keine Möglichkeit gehabt herauszufinden, wer welchem Glauben anhängt. Wir haben Vertreter aller drei großen christlichen Konfessionen. “Frohe Ostern” benutzten also heute meine Frau, ihre Schwester und deren Mann in dem Sinne: Heute ist Ostern, also freut Euch; die Kinder und ich dagegen in dem für Ostchristen am Palmsonntag typischen Sinn: Auf das große Fest nächsten Sonntag sollen wir uns gut vorbereiten.

Da wir alle den Wunsch als etwas sehr Natürliches für den heutigen Tag akzeptierten und weitergaben, gibt unser Verhalten Quine (Word and Object ist der Ort, wo er die Theorie ausführlich darstellt), Recht, wenn er meint, unsere Äußerung (ich wiederhole: “Frohe Ostern”) sei in allen Fällen heute Morgen gleichbedeutend gewesen, jedenfalls bis die Westchristen der Familie Capuccini bestellten, während der Ostchrist sich in der Fastentugend des Ristretto übte – die Kinder trinken natürlich keinen Kaffee.

Allerdings wurde nach Quines Ansatz die Äußerung “Frohe Ostern” heute in der Früh bei uns gleich gemeint, während sie klarerweise nicht von allen gleich verstanden wurde. Wir wissen ja voneinander, dass für die einen Ostern heute ist, während es für die anderen erst in einer Woche gefeiert wird.

Quine hätte wohl hier gesagt, die Bedeutung habe nichts damit zu tun, wie die Leute etwas meinen oder verstehen.

Bei Aussagen könnte ich da ein Auge zudrücken. Aber bei Optativen?

Letztlich polemisiere ich sehr gegen stimulus meaning. Ich finde den Ansatz La-Mettrie-mäßig und fühle mich gerade vor Ostern stets veranlasst, ihn zu hinterfragen.

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Of all days, today I’ll be devil’s advocate. In fact Quine’s.

Today in the morning, outsiders would be clueless about which member of our clan is an adherent to which faith. As a group of representatives of all three of the major Christian denominations we wished each other a Happy Easter. Protestants and Catholics, my wife, her sister, my brother-in-law, wished so in the moment speakers of German typically say “Frohe Ostern“: on Easter. The kids and I however wished so on the day the Orthodox wish “Happy Easter”: on Palm Sunday, which, for us, is also today! On Easter, the Orthodox never say “Happy Easter”. They say “Christ is risen” instead.

But since our behaviour was quite agreeing in using the words “Frohe Ostern” and in taking them as the most natural thing to say today, Quine’s argument would be (open his Word and Object for details) that we all meant the same thing until we started to order: the Occidentals cappuccino, one still fasting Oriental espresso – the kids do not drink coffee.

But how can we mean the same thing when we don’t understand the same thing? Quine would say that what words mean is not how people understand what they say.

I grant this view when it pertains to statements. But when it pertains to optatives?

Lately, I’m very critical towards Quine’s stimulus meaning. It appears to me as an account on zombie language, on language of agents without mental states. In the time before Easter it seems less tenable than in the rest of the year.

Proud of her

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Ich weiß, dass ich meiner Tochter eine christliche Zuversicht nahelegen soll. Aber gleichzeitig bin ich Grieche. Deshalb bin ich auch auf Nichtchristliches stolz.

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My daughter says that life’s not just. I know that I have to give her a Christian education. But I’m also happy for every piece of Greekness in her…

Byy Gott, isch daas bigott!

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Peinlich ist es für mich, der ich zwischen 1993 und 2016 als Wahlmünchner galt, über Thomas Ribis Meinungsartikel in der NZZ über Bayern als Land derjenigen zu stolpern, die in der Sache keine Ahnung vom Christentum haben, aber gern das Kreuz demonstrieren, sobald ein Syrer vorbeikommt oder ein Gericht, eine bekannte Unterscheidung Immanuel Kants anwendend, Staatskonformität beim offiziellen Vernunftgebrauch verordnet.

Peinlich ist mir das auch als Bundesbürger. Rund 150 Jahren nach der Reichsgründung gleicht der Umgang der liberalen, rechtsstaatlichen Bundesbehörden mit Bayern immer noch Bismarcks protestantischem Kulturkampf gegen römisch-katholischen Provinzialismus. Eine echte Chance für den Bund, nicht in überheblich-aufklärerischer Manier den Kopf über das kindische Betragen des größten Bundeslandes zu schütteln, ist dabei nicht gegeben, denn es ist auch peinlich, wie beim bayerischen Ministerpräsidenten die Uhr stehen geblieben ist! Kaum angetreten, musste sich Markus Söder (Thema seiner Doktorarbeit in Erlangen: “Von altdeutschen Rechtstraditionen zu einem modernen Gemeindeedikt: Die Entwicklung der Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818”) beim Wahlvolk als gerade der folkloristischen Gegnerschaft gegen das Kruzifixurteil würdig erweisen. Er weiß genau: Sein Standardwähler, insbesondere der xenophobe mit Rautenfahne über dem Grill im Garten, wird sich darüber freuen, wenn in jeder Behörde ein Kreuz hängt. Dass der Ministerpräsident die Autorität des Bundesverfassungsgerichts damit unterminiert, das religiöse Neutralität verordnet, dürfte dem Standardwähler fremd als Bedenken sein. Wohl auch Söder, der in Karlsruhe eine Stadt sieht, die eben nicht zum rechtsrheinischen Bayern gehört.

Ich frage mich, wie lange noch Narrenfreiheit. Wozu braucht diese große Koalition die CSU, die doch stets demonstriert, in einen anders begründeten Staat gehören zu wollen?

Aber das Neue in diesem Kulturkampf ist, wie Kardinal Marx und Weihbischof Bischof (sie heißen wirklich so), den Ministerpräsidenten rügen, das Kreuz für seine machtpolitischen Ansprüche zu missbrauchen. Meiner Meinung nach wird das Kreuz grundsätzlich von den Kulturkatholiken, -protestanten und -orthodoxen missbraucht und der Umstand, dass Marx und Bischof – ersterer doch Erzbischof von München und Freising, letzterer doch kein Erzmarxist! – das sehen, zeigt, dass Söder gerade die Unterstützung der Christen verliert, wenn er sich um die Anhängerschaft eines kulturchristlichen Kulturproletariats bemüht.

Symphonia, der Einklang zwischen Staat und Kirche, ist seit dem 5. Jh. im Westen in Ermangelung einer Reichskirche abhanden gekommen. Dass Söder, ausgerechnet ein in Rechtsgeschichte Promovierter, meint, diese Tradition rückgängig machen zu können, ist, wie das Ganze – und wie gesagt – nur peinlich.

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The facts are shameful, let alone the facts interpreted when the background is taken into consideration: the new Bavarian prime minister prescribed authorities of his southern German state to attach crosses in the halls and offices and did so himself in front of journalists in his own office. By this, he relaunches a political issue of past decades, when Bavaria (back then led by the political idol of the premier) refused to conform with the Federal Constitutional Court’s decision that prescribed religious symbols to be removed from schools on demand of pupils or parents – even of a minority of pupils or parents.

Quite new in the debate, however, is cardinal Marx’s and bishop Bischof’s rejection of the prime minister’s actions. The Bavarian government, although conservatives and politically linked to the chancellor’s party, has been hostile to Merkel’s humanitarian policies to relieve refugees. Using the cross as a political symbol equivalent to “Syrians go home” is something, however, that Marx, at the same time Roman-Catholic archbishop of Munich, and Bischof, at the same time not a Marxist – a joke but not just a joke – warn against.

This is intelligent of them and according to a western and German tradition. Since in the Christian West there has been no state church since the 5th century, the premier’s policy involving religious symbols – a person’s whose PhD thesis was on the history of justice – is not only populism: it is a shame for the University of Erlangen/Nuremberg that granted him the title.

The passion: a thriller

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Es wird eine Zeit gegeben haben, als es sensationell war, dass der Butler der Mörder war. Die Zeiten haben sich geändert und die Suche nach Sensation hat die Krimiautoren dazu geführt, dass gerade derjenige, der über jeden Verdacht erhaben war, den Mord beging; später dazu, dass alle Verdächtigen gemeinsam den Mord begingen (Agatha Christies Mord im Orientexpress); dann bekamen wir es mit Ermittlern zu tun, die gleichzeitig die Mörder waren – aber der Leser erfuhr das am Ende; schliesslich mit Ich-Erzählern, die auf den letzten Seiten ihre Schuld beichteten. Umberto Eco schätzte, dass der einzige Krimi, der nie geschrieben wurde, derjenige ist, in dem der Leser den Mord begangen hat.

So ungefähr sehe ich die Passionsgeschichte im literarischen Sinn: Es gab irgendwann Götter, die sehr mächtig und unsterblich waren. Dann gab es allmächtige und unsterbliche Götter – aber konnten sie dann Schwäche empfinden? Und wenn sie es nicht konnten, was für eine Allmacht ist das überhaupt. Die Spätantike stilisierte Pan als einen sehr mächtigen und sterblichen Gott – wobei der Widerspruch sterblich-und-Gott bereits skandalös war.

In Jesus haben wir einen zwar unsterblichen aber sterbenden, allmächtigen Gott.

Von der einen Sensation zur nächsten…

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There were times when it was sensational to read that the butler commited the murder. Afterwards, thriller writers thought it funny to make the reader believe that the butler was the murderer to disclose finally that it was someone else – say, the wife… Agatha Christie made everyone change tastes in terms of suspects to reveal at the end of Murder on the Orient Express that the murder was commited by all suspects together. The literary trend to pass from one sensation to the next resulted to: narrators who confessed at the end of the book to have killed the victim, detectives who worked on the case and finally outed themselves as revengers, and the only murderer who has never appeared in thrillers is – to cite Umberto Eco – the reader or the spectator herself.

Roughly, this is also my understanding of the literary pattern behind the Passion: once there were gods mighty and immortal. They made place for gods who were almighty and immortal. Late antiquity saw in Pan a god who was mighty but mortal – not just a sensation but a straightforward contradiction, since a god is an “athanatos”, not a “thnetos” – and, finally, in Jesus Christ an immortal, almighty God who managed to die a horrible death and to remain dead for three days.

You follow the chain from the one sensation to the next until the greatest…

Non longe ante hebdomadam passionis sive alias: „Mei, süß…“

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Ich weiß nicht, ob die Gleichsetzung der Heiterkeit mit der Albernheit zuvörderst einer soziologischen oder einer sozialpsychologischen Erklärung bedarf.

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Is the confusion of cheerfulness with silliness primarily a social or a psychological phenomenon? Just asking…