The parallel

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Greta ist meine Tochter und sie sagt mit Sechzehn Sachen wie: “Eine Frau, die ihrem Herzen folgt, gilt als die schlimmste Person der Welt. Ein Mann, der das tut, wird gefeiert”. Sie guckt entsetzt dabei.

Joachim Triers Film Der schlimmste Mensch der Welt (nominiert für zwei Oscar) ist liebenswürdig genauso wie die Protagonistin, genauso wie die Rolle der Frau, die das Medizinstudium, anschließend das Psychologiestudium, anschließend mit Aksel, anschließend mit Eivind abbricht.

Nach der Filmvorführung habe ich noch nicht an Gretas Spruch gedacht. Erst nachts passierte das, als ich an Woody Allens Film Hannah und ihre Schwestern dachte, wo (natürlich!) der moralistische Unterton (“schlimmster Mensch” oder?) fehlt, da die Person, die dort ihrem Herzen folgt, Hannahs Ehemann ist, ein Mann – gespielt übrigens von Michael Caine.

Wer findet die moralistischen Untertöne nicht strange? Diese bestimmten, meine ich, gegenüber der Frau in einem bestimmten Kontext in einem 2021 gedrehten Film verglichen mit dem Fehlen solcher Untertöne gegenüber dem Mann im ähnlichen Kontext in einem 1986 gedrehten Film?

Nach der Filmvorführung die Diskussion im Kinosaal: “Sie hätte zu ihrem Boyfriend gehen sollen, sagen sollen, guck, ich habe mich in jemanden verliebt, kannst du mir helfen, mit dir darüber hinwegzukommen?”

So die Wortmeldung einer Frau aus dem Publikum…

Spießertum erstreckt sich offenbar über alle Ebenen des Daseins. Hier sind die Schichten mindestens drei. Die erste Ebene ist die offensichtliche: Die Fiktion wird als ein Dokumentarfilm angesehen und als ein Ansporn zur Beratungsrunde. Die zweite Ebene besteht in der Unfähigkeit zu erkennen, dass der Moralismus in einem Film nicht die Natur der Dinge widerspiegelt, sondern meistens die Sichtweise im Skript. Es gibt noch eine Schicht: Sie besteht darin, in den Individuen Diener von Allgemeinbegriffen wie “Schulklasse”, “Unistudium”, “Beziehung” zu sehen statt umgekehrt in den Allgemeinbegriffen Funktionen, deren Argumente die Individuen sind. Hier ist nicht nur Spießertum, sondern auch archaischer Kollektivismus zu erkennen.

Und ja, Frauen sind oft sehr spießige und orthodoxe Großinquisitoren, wenn andere Frauen das Thema sind.

Greta spricht alles in allem ein echtes Problem an, vergisst aber, dass es oft Frauen sind, die Impulsivität beim Mann feiern und bei der Frau ablehnen.

Gleichzeitig ist sie erst sechzehn. Etwas Geduld und ihr werdet Augen machen…

Momentan kann ich nur den Film empfehlen: Renate Reinsve als schlimmster Mensch der Welt. Regie von Joachim Trier.

Enough with scrolling

My daughter Greta is sixteen and she says things like “If a woman follows her heart, then people say she’s the worst person in the world. If a man does so, he’s celebrated”. Highbrow!

I watched Joachim Trier’s Worst Person in the World (two Oscar nominations) and I loved it, and I liked the protagonist and her role as a woman who quits medicine for psychology, quits psychology for a guy named Aksel, breaks up with Aksel for a guy named Eivind, breaks up with Eivind – period…

And I thought of my daughter’s dictum later in the night when I had this reminiscence to Woody Allen’s Hannah and her Sisters, where, of course, the moralistic undertone (“worst person” huh?) is absent because the impulsive person who follows his heart there, is Hannah’s husband, a man – the role is played by Michael Caine.

Isn’t it strange to have moralistic undertones towards women concerning some issue in a film made in 2021 but none of a such towards men concerning the same issue in a film made in 1986?

After the performance, discussion on the film in the cinema. “She should go to her boyfriend and tell him, look, I fell in love with someone, can you help me get over it?”

The person who said that was a woman…

Now, there is some philistinism here on many levels: the obvious philistinism consists in looking at a work of fiction as if it were a documentary, and making moral judgments. The other is the inability to realise that moralism in films is given by those who made the film, to be mostly independent of the nature of things. And one more layer of philistinism consists in believing that individuals are there to serve general notions like: “school class”, “university studies”, “relationship” etc.; consists in failing to see that, on the contrary, it’s the general notions that are there to serve individual needs. But is this last layer only one of philistinism or is it also archaic collectivism?

And yes, women are often the harshest philistines and bishops of the inquisition when other women are the issue.

So, my daughter Greta addresses a real problem but she forgets to say that it’s women who celebrate men in love, women who condemn women in love.

Well, Greta is still only sixteen. Wait and see…

For now, just watch the film: Renate Reinsve is the Worst Person in the World, directed by Joachim Trier.

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Faith, fate and courage, or: Phaedrus’s politics

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Die griechischen Parlamentswahlen rücken näher und Ich gehe nicht wählen. Leute, die nicht wählen gehen, sind oft Fatalisten. “Was soll’s? An meiner Stimme hängt es wohl nicht. Und wenn doch: keiner kann seinem Schicksal entgehen: Ich nicht, meine Freunde nicht, und dieses Land ist keine Ausnahme”.

Ich bin nicht so. Ich glaube zum Beispiel nicht ans Schicksal. Trotzdem gehe (oder fliege) ich nicht wählen. Ich muss zu Hause in Deutschland meinen Geschäften nachgehen. Leben ist natürlich das, was mit einem passiert, während man anderweitig beschäftigt ist. Ich kann darauf jetzt nicht eingehen, obwohl ich denke, dass es auch mit mir so ist.

Wenigstens lese ich über das Leben. Meine Literatur zu den griechischen Wahlen ist allerdings Platons Symposion. Phaidros sagt dort (OK, ich weiß: Phaidros ist dort blutjung und ganz grün hinter den Ohren, aber zuhören!), dass der Mut und die Selbstlosigkeit Tugenden sind, die durch Liebe zutage treten. Am mutigsten kämpft, wer zu der Zeit von Liebenden beobachtet wird. Alkestis stirbt für ihren Ehemann, Achill stirbt für Patroklos. Liebe ist mit Sicherheit eine Art Mut. Denn Liebe ist sich selbst zurücklassen. Politisches Handeln ist ähnlich, zum Beispiel wenn wir uns zurücklassen, um kollektive Zielsetzungen zu verwirklichen.

Wer glaubt, dass es ein Schicksal gibt, wird nie riskieren, ob als politischer Mensch, ob als Lebender, ob als Freund. Zum Riskieren und zum Lieben bedarf es des Mutes.

Hätte er an diesem Tag diesen Mut nicht gezeigt…

wäre Achill nach Griechenland gekommen und erst in hohem Alter gestorben…

sagt Phaidros. Thetis, die Mutter und Göttin, hat ihren Sohn nämlich gewarnt: Heute wirst du entweder für Patroklos sterben oder nach Hause gehen. Das ist das Schicksal, mein Sohn…

Glauben in die Gemeinsamkeit, in die Freunde, in die Liebe ist in einem Punkt Hassen: Der Begriff Schicksal muss jedenfalls gehasst werden.

Enough with scrolling

Elections in Greece approach, and I’m not participating. People who don’t participate do that because often they believe that there is something like fate and they can’t help: the country, the other, themselves. I don’t believe in fate. However I still don’t participate to the Greek general elections because I have to stay at home in Germany having other plans. Life is, the proverb says, what happened to you while you had other plans, but let’s not elaborate on this.

I do read about life. Well, my reading for the Greek general elections is Plato’s Symposium, where Phaedrus (I know, a naive lad but listen to him!), well Phaedrus says that courage and selflessness are virtues incited by love. Fighters fight best when they’re observed by those who love them. Alcestis dies for her husband, Achilles dies for Patroclus. Love is definitely courage. Love is leaving yourself behind. Political action too. Political action can be selfless and courageous when you leave yourself behind to meet collective needs.

People who believe that there is an unalterable fate do not take the risk to act – politically, lovingly… Towards the others: community, friends, lovers. They don’t take the risk out of lack of courage.

If Achilles didn’t have the courage on that day,

he would have returned to Greece and die only an old man…

says Phaedrus. Achilles had been warned by Thetis, mom and goddess: Today you’ll either die for Patroclus or return home. That’s fate, my son.

Having faith, in community, in a friend, in a lover, is to hate fate. That is faith…

Lovin’ and analyzin’

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Benni Andrae, der neuerdings Philosophia Verlag übernahm, wird nicht müde zu betonen, dass die Sprachanalyse sich außerstande zeigt, Texte zu produzieren, die für das Leben eines Individuums relevant sind. Die analytische Philosophie bleibt gelehrt, in manchen Fällen genial als Instrument zur Entdeckung der Grenzen der Erkenntnis oder des Entscheidens, aber ihre praktische Anwendung in beiden Bedeutungen des Wortes “praktisch” (auf die Frage “Was soll ich tun” antwortend sowie nützlich) ist zweifelhaft.

Dazu imstande wäre sie allerdings durchaus. Es sind eher die Peer-Review-Kultur und die neopositivistische Erbsünde, die sie davon abhalten, eine Anleitung zum Glück oder zu weniger Unglück zu sein.

Ausnahmen sind vorhanden. Hier gibt es etwa ein analytisches Argument, wonach Tinder und Elitepartner vertraut werden soll, wenn sie eine Person als die bessere Wahl suggerieren denn eine andere. Hier wiederum ist mein Argument für die Behauptung, dass Dating-Apps genauso zu vertrauen sind wie das Würfelwerfen oder die Intuition. Die grundlegende Annahme hierzu lautet, dass die Schlussfolgerung, die zu einer Entscheidung führt, im echten Leben oft nichtmonoton ist.

Darüber hinaus habe ich ein neues Argument, wonach das Aufeinandertreffen von Personen per Dating-App höchstwahrscheinlich unpassende Paare erzeugt.

Wenn Frauen mit Blick auf die externen Qualitäten der Kandidaten die Datenbank nach Männern durchforsten, die jünger sind als sie selber (ich weiß Jungs: Das tut weh!) und Männer mit Blick auf die externen Qualitäten der Kandidatinnen die Datenbank nach Frauen durchforsten, die ebenfalls jünger sind als sie selber (die Damen können hämisch sagen, die Männer täten gut daran, erfahrene Frauen zu wählen, die bei einem Herzinfarkt Ruhe bewahren und Hilfe holen, aber die Häme ändert die Tatsache nicht), dann besteht eine absolute Sicherheit, dass Männer wie Frauen mit höchstens ihrer zweiten…

…dritten…

…vierten…

Wahl vorliebnehmen. Oder mit einer noch niedrigeren.

Beweis: Es ist eine analytische, jedenfalls eine mathematische Wahrheit, dass niemand jünger als irgendein jüngerer “Seelenverwandter” oder irgendeine andere jüngere Person sein kann.

Außerdem stellt der Versuch, die Eigenschaften einer Person zu lieben, einen Kategorienfehler dar. Die “Liebe” von Eigenschaften (etwa Reichsein, Fleischigelippenhaben, Tranquilité) ist kein legitimer Gebrauch des Wortes “Liebe”. Liebhaber im durch Jahrtausende tradierten Sinn des Wortes lieben auch die Imperfektionen und Laster der geliebten Person. Wir lieben natürlich die Tugenden auch, was uns zum Glauben verleiten kann, dass wir vordergründig die Tugenden der geliebten Person lieben. Das Wort “vordergründig” ist hier hervorzuheben. Denn vordergründig lieben wir die Person.

Dem zu Folge sollte man unabhängig von den Eigenschaften daten. Und zwar ohne die Dating-Apps.

Es gibt sie, die lebensverändernde Sprachanalyse. Man muss ihr nur eine Chance geben.

Enough with scrolling

Benni Andrae of Philosophia Publishers deplores the fact that analytic philosophy, despite providing erudite or brilliant analysing of the limits of knowledge or decision making, normally remains irrelevant for the way individuals conduct their lives. It almost never gives one practical advice – and I mean “practical” in both senses of the word: towards happiness and useful.

In fact, analytic philosophy would be fully capable of supporting happiness and rationality in everyday life. For a series of reasons, however – the peer-review culture, the neopositivistic background which is, alas, still existent – it normally doesn’t.

E.g. here is an analytic argument for you to trust Tinder and Elitepartner when they suggest you to accept a person as a soulmate because their algorithm says so, and, in contrast, here is my argument that you could trust them as much as your intuition towards the girl or the boy you met in the supermarket, since decision-making is nonmonotonic.

And I even have a new argument that dating sites are totally crap! Here it is:

Women seeking (let’s face it guys!) for a younger lover in virtue of external properties and men seeking (you’re not alone, ladies!) for a younger piece of flesh in their beds also in virtue of external properties, results to no matches unless someone opts for a second…

…third…

…fourth…

…etc…

choice.

You see, it’s an analytic, indeed a mathematical truth that you can’t be younger than your younger “soulmate”.

Additionally, loving a person’s properties is a category mistake. “Loving” properties (“Has money”; “Has fleshy lips”, “Enables tranquility” etc.) is not a legitimate usage of the word “loving”. Because, obviously, one loves even the vices and imperfections of the beloved. Trivially, one also loves the virtues of the beloved too, which could mislead you to think that you love primarily the virtues. “Primarily” is here the crucial word. Well, primarily the lover loves the person. Virtues are abstract concepts. You don’t love abstract concepts, do you?

Which, in its turn, means that you should meet persons independently of their properties. Without the dating apps.

As you see, there is a life-changing linguistic analysis. It only has to be given a chance.

Such a perfect sec

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Leonidas Pantelides, der sehr bekannt als Diplomat ist und genauso bekannt als Philosoph zu sein verdient, macht die Natur der Zeit durch González-Torres’ Installation Perfect Lovers deutlich. Die Zeit ist das gemeinsame Uhrticken und das Uhrticken auf dieselbe Sekunde. González-Torres wollte mit seiner Installation kein Sinnbild für die Zeit, sondern eines für die Liebe schaffen. Salopp ausgedrückt, reicht es nicht, wenn die Liebenden eine halbe Stunde nach dem Mittagessen Lust verspüren. Wenn sie zu verschiedenen Zeiten essen, finden sie nicht zueinander.

Irgendwann geraten die Uhren der Installation aus dem Rhythmus. So wie tatsächliche Liebhaber auch. Es gibt Tobi Wongs Replik der Installation von González-Torres, wo die Uhren mit der Atomuhr des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums synchronisiert sind. Es gibt auch Cerith Wyn Evans’ Version für untreue Paare.

Leonidas P., der Freund, der Denker, hat Recht. Die Uhren sind sinnbildlich für die Zeit, nicht für die Liebe. Gleichzeitigkeit ist um so mehr garantiert, je mehr Uhren nebeneinander funktionieren. Für den Begriff Liebe ist allerdings meine concept-art-Version von Perfect Lovers die repräsentativste. Zu finden ist sie nach dem englischen Text, der hierauf folgt.

Enough with scrolling

Leonidas Pantelides, a well-known diplomat who deserves at least equal fame as a philosopher, gladly uses González-Torres’s installation Perfect Lovers to explain the nature of time. Time is a pace of ticking, and the ticking of the same second. González-Torres‘s intention was to symbolise love, not time. A blunt example would be lust. Lovers may have it thirty minutes after lunch, but if they had lunch in different moments, they are not lovers of one another.

At some point, one of the clocks of the installation gets off the pace. Which is something that can happen between lovers too. Tobi Wong’s replica of González-Torres‘s installation is synchronised with the atomic clock of the US defense ministry. Cerith Wyn Evans made a version for unfaithful partners.

Leonidas P., the friend, the thinker, is right, you see. The more clocks you have, the more certain you can be for having the correct time. But I have my own concept-art installation, in fact a version of González-Torres‘s, to depict love. Here you are:

Realità aperta

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Strauß und Fahrkarte auf Entwerteautomat würde das Bild heißen, wenn es eine Installation wäre.

Da es sich aber dabei um kein Kunstobjekt handelt, entzieht sich die Geschichte dahinter jeder Interpretation ohne Kausalbeziehungen. Wer hat den Blumenstrauß gekauft? Für wen? Warum lässt ihn diese Person samt Karte zurück, dass jeder samt Strauß nach Liestal kann?

Das dürfte eine traurige Geschichte sein. Zum Glück weiß ich nichts darüber.

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Enough with scrolling

If the picture above showed an installation, the title would be Flowers and Ticket on Stamping Machine.

Since it is not a piece of art though, any attempt to understand must be by means of causation. Who bought the flowers? For whom? Why does this person leave the flowers and a ticket to the neighbouring canton behind?

I believe that the story behind this gesture is a sad one. Fortunately, I don’t know more.

Digital matchmakers

Scroll for English until after the pic. This time the posting is a lungo, not a ristretto.

Wenn ich die Dating- und Partnerschaftsapps wie Tinder, Lovoo, Bumble, Parship etc. erst nach langem Zögern thematisiere, dann ist es wegen der Diskussionsanregungen von Freundinnen und Freunden, die diese nutzen. Ich dachte, dass sie es mir übelnehmen, wenn ich hier Sachen aus unseren persönlichen Gesprächen preisgebe, was schlecht für die Freundschaft wäre. Ein Irrtum, bei dem ich drei Jahre lang verweilte. Jetzt denke ich anders. Sie sollen es mir ruhig übelnehmen.

Eine Online-Bekanntschaftsherstellung erfolgt über die Angabe von Eigenschaften: “Brünette, 45jährig, finanziell abgesichert usw.”, im Grunde also nicht anders als die Bekanntschaftsanzeigen in einer Zeitung oder im Dorf durch den Kuppler (“Ich kann mir vorstellen, dass ihr ein passendes Paar wärt von dem her, was sie will und was du willst”), allerdings mit größeren Möglichkeiten zum Eruieren, zum Herstellen von möglichst großen mengentheoretischen Schnitten der Vorlieben zweier beliebiger Personen im Bereich der mehrstelligen Kombinatorikrechnung, mit Fotos usw.

Fotos sind natürlich etwas, was in den Spalten einer Zeitung nur zu teuer wären, aber sind sie wirklich nützlich? Meine Leserschaft sollte versuchen, ein Foto von mir im Internet zu finden, wo ich müde aussehe. Ich behaupte, dass es keines gibt. Mehr Daten viel billiger also, aber der Date ist deshalb nicht unbedingt empfehlenswerter. Mehr Daten ermöglichen hier und da einen “Persönlichkeitstest”. Die Lächerlichkeit der Behauptung allein, ein paar Fragen könnten die “Persönlichkeit” beleuchten, muss zwar diejenigen als Nutzer abschrecken, die ein halbwegs seriöses Psychologiestudium hinter sich haben, aber diese Zielgruppe ist wohl sehr klein. Es bleibt aus Sicht der Logik der Sache, dass die Nutzer höchstens Eigenschaften angeben, die das eigene Selbstbild wiedergeben, das also, was man selber sein will (aber: ich würde bezweifeln, dass “Grieche” oder “blond” genaue Angaben sind; geschweige denn “kinderlieb” oder “humorvoll”); gleichzeitig das, worauf man denkt, Wert zu legen. Dabei hätte ich von den Eigenschaften meiner Frau viele schon damals als unerwünscht angegeben – bloß im Nachhinein haben sie mich gereizt. Gewiss, nicht die ideale Beziehung und Ehe, allerdings eine, die ein Vierteljahrhundertlang hielt.

Aber es gibt wohl Menschen, die gerade für die Ehe eher Ruhe als Leidenschaft und Herausforderung schätzen und letztere lieber ohne Bindung suchen. Würde ich für solche Gemüter die Partnerschaftsonlinedienste nicht als eine gute Alternative bezeichnen? Ich meine, außerhalb des Klosterlebens und im Sinne behaltend, dass “Lebenspartner” eine Teilmenge von “Sexualpartner” ist?

Nun, auch nicht! In sehr vielen Situationen ist stichhaltiges Schließen nichtmonoton. Rote Schuhe finde ich etwa toll, Sportschuhe auch, aber mit roten Sportschuhen kann man mich jagen. Es ist vorstellbar, dass jemand ein mundartliches Deutsch beim Partner als erwünscht angibt und ebenso eine explizite Sprache im Bett, aber die Verbindung von Mundart und Liebesgeflüster als abtörnend empfindet. Der Tinder- oder Parship-Algorithmus würde nun im Sinne der klassischen, monotonen deduktiven Logik vielzuviele mundartliche Dirtytalker rausspucken, sobald der Nutzer “Mundart” und “Dirty Talk” als prinzipiell erwünscht angibt. Frage also: Selbst wenn ich nicht die große Leidenschaft für die Andere oder den Anderen haben will, sondern ein einfaches Erlebnis oder Leben mit irgendeiner Person mit vorgegebenen Eigenschaften: Kann ich eine im Sinne des monotonen Schließens entstandene Treffermenge als nützlich ansehen? Wohl kaum.

Praktische Menschen würden mir hier entgegnen: “Du musst die Leute sowieso daten, treffen, erleben”. Ja, wunderbar; das weiß ich natürlich selber. Wenn jedoch die erhoffte Erhöhung der Chancen, den Richtigen oder die Richtige kennenzulernen, nicht aufgrund des monotonen Schließens gewährleistet werden kann, warum soll ich’s bei einer deduktiv-monoton entstandenen Datenbasis erst überhaupt versuchen? Um einen Kompromiss auf dieser schlechten Basis zu machen? Warum nicht auf irgendeiner anderen Basis?

Abgesehen von der Zuverlässigkeit des Eigenschaftenangebens für die Eingrenzung der Kandidatenmenge, sind sehr große Zweifel daran zu hegen, ob Eigenschaften in Sachen Liebe (naja: “wahre Liebe” wie man sagt) überhaupt aussagekräftig sind. Vielleicht begreift die Liebe – bekanntlich blind – nur individuelle Eigenschaften, Tropen also, und keine Eigenschaften im traditionellen Sinn. Manuelas betörender Blick, wenn sie sagt “Meinst du das ernst?” kann mich bei Adele stören. Nach allgemeinem Verständnis ist es nicht die Kombination von Eigenschaften, in was man sich verliebt, sondern der Träger derselben – d.h. es gibt, so eine versteckte Annahme, wenn man von Liebe spricht, einen Träger, eine quidditas. Indem ich das außer Acht lasse, lasse ich mich auf Dates per Kupplerapp ein, bei denen die Kandidatenmenge aus Adeles und nicht aus Manuelas besteht.

Ich bezweifle nicht, dass Kupplergeschäfte gut funktionieren können. Ich bezweifle, dass sie der philosophischen Grammatik des Wortes “Liebe” genügen. Mein Hauptzeuge ist die zugrundeliegende Logik und Ontologie: die Nichtmonotonität unserer Gedankengänge und die Tropen.

Heirate die Frau, nicht was ihr eigen ist

war ein altgriechisches Sprichwort. Heute wird es im Neugriechischen nicht mehr benutzt, weil der altgriechische Imperativ für “heirate” im Neugriechischen obszön ist. Tja, “gamei” bedeutet im heutigen Griechisch “Hab’ Geschlechtsverkehr”. Ich würde jedenfalls das Sprichwort unter der neuen Bedeutung weiter gelten lassen.

Ein weiterer Grund gegen die digitalen Kuppler ist eine Klugheitsangelegenheit: Im sehr wahrscheinlichen Fall, wo die Nutzer deshalb auf die Liebessucherdatenbanken zurückgreifen, weil sie analog, in der wahren Welt, in ihrer Umgebung, Gefühle für eine Person haben, die diese nicht erwidert, oder auch einfach Gefühle, die aus Zaghaftigkeit heimlich bleiben, sind beide über Parship etc. Verliebten nur des anderen zweite Wahl; eine in der Not gemachte auch noch. Das ist moralisch nicht verwerflich natürlich, aber die Frage ist, ob man so etwas will. Wie gesagt: eine Frage der Klugheit, nicht der Moral.

Bei unter solchen Voraussetzungen gewonnenen Emotionen von “Liebe” zu reden, ist jedenfalls ein Kategorienfehler.

Aber Halt! Wer bin ich, so ein harsches Urteil zu treffen? Platon stellt im Symposion die Liebe von Eigenschaften einer Klasse von Personen versus Liebe zu dieser einzigartigen Person als die sokratische Haltung. Also dürfte mein Urteil nur für solche Charaktere gültig sein, die Aristophanes’ und Diotimas Genealogien der Liebe ebendaselbst einleuchtender finden: Unerwartet trifft es dich; grundlos auch; sie oder er ist sogar nicht “dein Typ” aber trotzdem: Es gibt was Unerklärliches. Aber was soll’s: wer den Weg zum Glück über Online-Dienste fand, wird sich nicht fragen, ob es das Glück ist. Vielleicht war es nur Glück und keine Planung, aber wer trotzdem das Glück fand, hat keinen Zweifel daran, glücklich zu sein. Sichverlieben ist kein Neujahrsvorsatz. Wer sich tatsächlich verliebt, weiß, ob es der Eros ist oder die Zahl 2019 von hinten fotografiert…

(Ich habe wirklich lange gezögert, das zu posten…)

Enough with scrolling

It was late in the year 2018 when I had for the first time a discussion on Tinder, Lovoo, Bumble, Parship with friends who used these services. On my way home I was bewildered from the New Year’s decoration in this little French community. It seemed to match the conversation I had just had. I made a picture. Certainly, it wasn’t really the Greek word “eros” but rather the back then new year, which – ridiculously! – had been my contention in the conversation: falling in love is not a matter of a new year’s resolution, let alone one to be facilitated by social media specialised in dating. Back then, I knew only about Parship from its billboards in German train stations: “Fall in love using Parship”. I held this to be a category mistake and I still think so. I have hesitated three years to write this posting. Friends could be offended. Now I made up my mind: they should…

Social media to look for an important other or a sexual partner (the former is, of course, a subcase of the latter) are essentially like traditional matchmaking (“From what I know about you both, you’d be a very good couple”) or like personal ads (“Brunette, 45, good looking, independently wealthy, seeks correspondence…” etc). The possibilities to impress e.g. by adding extra data like pictures, are obviously much bigger now than in previously three lines of a newspaper column, but the idea is the same old one. What is new is only the amount of data. Nevertheless, more data doesn’t mean more enjoyable dates. I see the point with checking pictures, but, come on, do you believe that my pictures on the internet are not an extra selection? I have a challenge for you: try to find one in which I look tired! Big data makes it also possible to offer a personality test, like some sites do, to make matching appear as one on the background of a deeper agreement of characters. But let’s face it: the contention that not only a Mickey-Mouse app but any questionnaire would give you reliable predictions about anyone’s personality is ridiculous to everyone who has had one or two classes of psychology. Obviously this target group is so small that business can continue neglecting it.

The users will mention properties of which they think to be important features of themselves, also what they content to be the demanded features of eligible candidates. But properties as criteria will most probably fail. Is “Greek” a precise property? Is “blond” one? And if these are vague, imagine what happens with properties like “children-loving” or “humorous”. Besides, what we think important for us, is not always what proves to be important. Many of my wife’s properties I found interesting in the course of experimenting and I wouldn’t have indicated them as desirable if back in 1996 it had been possible to contact women via matchmaking platforms. Not the ideal relationship and marriage maybe, but one of a quarter of a century.

However, perhaps one should consider dating apps as an option for those who dislike challenge. Maybe they are Stoics, maybe they cover their need for adventure otherwise. What about them?

Well, the dating apps are arguably not good even for them. In many situations, sound inferring is nonmonotonic. The fact that I generally like red shoes and I also generally like tennis shoes, doesn’t mean that I like red tennis shoes.

The deductive-monotonic algorithm of Tinder and Parship etc. however would present me many pairs of red tennis shoes as long as I enter “red” and “tennis shoes” as generally desirable. Loving Texas and loving dirty talk is not necessarily loving dirty talk in Texan dialect. Obviously and ridiculously, however, every deductive-monotonic algorithm would recommend you Texan dirtytalkers once you indicate Texas and dirty talk as generally desirable. This poses the following question: if I don’t search for the big passion and the immortal love for otherness but simply convenience instead, convenience supposed to be secured if standard properties apply, are the platforms in question at least useful? Well, I dare say not even that. Granted I don’t look for the person who’ll make the formidable showdown in my life but rather someone who incorporates certain properties, how can I, a person whose reasoning is eventually nonmonotonic, trust a hit list brought about by monotonic-deductive inference?

Practical people will object here that dating a person is what is decisive for flirting and further interaction, not the recommendation of the person by the algorithm. One meets the candidate after all, spends time together before a relationship is possible. Which, of course, goes without saying. My argument is not that it is impossible to fall in love with someone recommended to fall in love with. Rather, my claim is that hoping to raise the chances of a good match by using standard properties is a false hope if your statistical basis is a selection made by deductive-monotonic inference. If your reasoning is nonmonotonic anyway, which is something you know from experience, why do you take the machine’s and not any other basis?

Independently of the efficiency of methods for restricting reasonably the number of candidates eligible for a viable relationship or an exciting adventure, it is doubtful if properties are suitable to determine eligibility. At least eligibility concerning love and desire. Or, as people say, “true love”. Arguably, love, being obviously blind, regards only individual properties, i.e. tropes. It’s not about green or brown eyes in general. It is about her eyes. It’s not about this or that shape but about her shape whatever it is like, whatever its changes, whatever the imperfection. Loving is when the imperfection is the standard because it’s her imperfection. And it is when the imperfection even fails to be the standard because other women could have the same imperfection, but you don’t love them because of this. You only love her. Generally, being in love with people is not about loving their qualities. It’s about loving them or: their quidditas. Beauty is in the eye of the beholder.

I don’t doubt that online mating can function. What I doubt is that it corresponds to the philosophical grammar of the word “love”. Tropes theory is one of my major witnesses.

Marry the woman, not her property

was an ancient Greek proverb. Today it’s not used after the ancient Greek imperative for “marry” came to mean an f-word. I’d use the proverb also in this meaning. And I take “property” to mean also: features.

Apart of my logician’s objections to online mating, I have also what you could call a common sense objection of a proud lover: it is very probable that the person you finally end up with via Tinder etc. had in your first dates dreams towards someone analogously, nondigitally but, say because of shyness, unavailability etc. these dreams remained unfulfilled to make Tinder etc. the alternative – well then you’re most definitely a second choice. Or one made out of lack of other alternatives. Now, this is really not the philosopher speaking: who wants to be this? It is not only a mistake to talk of love in this context. It is a category mistake. There is no love felt perforce.

All this sounds admittedly harsh and when I re-read what I wrote I think that I am unjust to people who have a certain understanding of love, and a legitimate one. In Symposium, Plato discusses love of properties of a whole class of persons as the Socratic ideal and as juxtaposed to love of this one person. My judgment is valid only for those who love like Aristophanes and Diotima. Love strikes. Unexpectedly. No reason why. She’s the one. He’s the one.

It wasn’t so in your case? You planned to fall in love with a person with given qualities? And you succeeded in this? I would say that you owe your happiness to chance, not to the app or to your planning. But at the end of the day, it doesn’t matter what made you happy. If you really feel happy, happiness leaves you no doubt. The happy ones shouldn’t care about what made them happy.

Probably it is the unhappy who entertain thoughts about doubts and reasons.

Nasreddin Gero

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Am 25. September, meinem Geburtstag, beglückwünschen mich viele mit dem Zusatz, alle meine Träume oder Wünsche mögen in Erfüllung gehen. Ich pflege zu antworten, auch die Hälfte meiner Träume würde mich zum glücklichsten Menschen auf dem Planeten machen.

Das ist nicht ohne eine stillschweigende Bezugnahme auf den bekannten Nasreddin-Hodscha-Witz, wonach dieser geträumt haben soll, einen Käufer für seinen dahinsiechenden Esel gefunden zu haben, einen noch dazu, der ganze fünf Goldstücke dafür anbot, woraufhin aber Nasreddin Hodscha in dreister Überschätzung zehn verlangte.

– Fünf gebe ich dir!

– Zehn will ich aber!

Plötzlich wacht der ehrwürdige Nasreddin auf, um festzustellen, dass er nur geträumt hat. Das Gesicht auf das Kissen nochmal drückend, schließt er die Augen nochmal und sagt: “Was soll’s, gib mir fünf…”

Dem Witz geht wahrscheinlich wie sehr vielen anderen Nasreddin-Hodscha-Witzen eine Vorlage in der altgriechischen Witze-Sammlung Philogelos voraus. Das kann leicht nachgewiesen werden, aber ich habe im Moment nicht die Zeit, im Philogelos zu suchen.

Dieselbe Pointe sehe ich in Kants Witz über den ontologischen Gottesbeweis: Der Begriff von hundert wirklichen Talern ist genau derselbe, wie dieser von hundert möglichen Talern (KrV, AA III, S. 401, 22-3). Bloß machen die hundert möglichen nicht reicher.

Andererseits trachte ich in meinen Träumen nicht nach Geld, sondern nach Sachen, die realisiert sind, sobald man an sie glaubt. Ich wünsche mir etwa Ausgewogenheit. Warum wird das nicht verwirklicht?

Offenbar, weil auch Gefühle, Gedanken usw. nicht durch-und-durch intentional sind, sondern eine äußerliche Komponente besitzen. Man kann sich nicht alles einreden. Das wäre ja ein Witz: sich Ausgewogenheit einzureden, um sofort ausgewogen zu sein; sich einen Affekt einzureden, um diesen zu haben. Im Endeffekt zählen auch in der Gefühlswelt nur die echten Taler. Gerade in der Gefühlswelt kann man die unechten zwar ausgeben, aber machen wir uns nichts vor: Es gibt so etwas wie die echte Liebe, um nur ein Beispiel zu nennen.

In der analytischen Philosophie wird zu wenig über die Liebe geschrieben. Ich bin froh, in Ruben Schneider den Herausgeber eines Sammelbandes bei Philosophia Verlag (München) gefunden zu haben. Wenn er den Band zu einem meiner nächsten Geburtstage vorlegt, wird das auch einer der fünf Taler sein.

Enough with scrolling

On September 25, my birthday, many think that they have to wish that all my dreams may come true. Normally I thank them but add that even half of my dreams would make me the happiest man on this planet – and most probably on other planets too.

In the background of my joke there is the following Nasreddin Hodja story: the wittiest of all imams dreams of arguing with a man who wants to buy his old, ill donkey. Absurdly – but it’s a dream in the middle of the night – the man offers five gold liras for the useless animal – an offer which Nasreddin rejects to audaciously bargain:

– I want ten!

– I’m giving you five!

In the middle of the argument, Nasreddin wakes up to realise that it was just a dream. Disappointed, he presses his face against the pillow, closes his eyes and compromises: “OK, OK, I’ll take five”.

Very probably, the oriental joke is owed to one contained in the late ancient Greek humour anthology Philogelos. Although I could easily offer evidence for this, I won’t. I have no time, I don’t feel like it… Not for a blog posting.

Nasreddin’s gimmick is a famous one in the history of philosophy. Kant ridiculed the ontological argument by pointing out that the concept of one hundred real thalers is exactly the same as the concept of one hundred possible ones (Critique of Pure Reason, AA III, p. 401, 22-3). The obvious disadvantage of the possible thalers is that they won’t make you any richer.

Being a philosopher, I always thought that it’s easier to fulfil dreams concerning intentionality as opposed to such about material goods. Consequently, my dreams are not about thalers but about things you have, if you persuade yourself that you have them. If you think you are balanced, you are balanced. If you think you’re full of love, then you are full of love.

However, the intentionality trick doesn’t work when you want to fulfil the most important wishes in life. Why not, you may ask. I suppose that the reason is because thoughts, emotions etc. are more external and material than we think. One cannot invent one’s own emotions. If you’re honest, you can’t persuade yourself to be balanced or loving. At least not if by this you mean what folk psychology would tag as really balanced or really loving.

In analytic philosophy, love is a surprisingly unloved subject. I did something against this: I found in Ruben Schneider the volume editor of a collection of original articles on every aspect of love to be published in Philosophia Munich’s series Basic Philosophical Concepts, of which I am the editor-in-chief. If Ruben manages to submit the volume on one of my birthdays in the next couple of years, it will be one of these five thalers.

https://youtu.be/PHdU5sHigYQ

La teoria dei giochi sotto le stelle del jazz

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Es ist verblüffend, wie beständig die Aktienmärkte das Geschehen dort als Glücksspiel statt als Gesellschaftsspiel modellieren, um die Anleger und uns, den Rest, immer wieder auf die Nase fallen zu lassen.

Statt hinter Kursschwankungen die Erwartung zu sehen, durch Voraussicht des Verhaltens der anderen, eigene Gewinne zu maximieren, sehen sie ein russisches Roulette. Sie prädestinieren damit das Anlegen von Geld dazu, tatsächlich ein russisches Roulette zu sein.

Paolo Conte umschreibt in Gioco d’azzardo umgekehrt ein typisches Spiel des Verhaltensrisikos (“Was wird sie tun, wenn ich das tue, falls sie etwas anderes tut?”) als Glücksspiel. Immerhin: Er sieht beide Elemente vorhanden.

Conte hat seinerzeit Jura studiert, weshalb ihm ein spieltheoretisches Grundverständnis zugetraut werden kann. Auch so ist es nicht ungerecht, wenn Mourad Mekhail, Hellmuth Milde und ich die Einsicht des Liedermachers bei den Ökonomen vermissen.

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Surprisingly, for decades, economists model what happens in stock markets as a lucky game rather than as a parlour game. “Surprisingly” because in stock markets the expectation is to achieve higher revenues due to prediction of other players’ behaviour.

However, what economists see in stock markets is Russian roulette. This could be the reason why stock markets are really a Russian roulette.

In Gioco d’azzardo, Paolo Conte describes love, a typical game of behavioural risk (What will she do if I do something knowing what she’ll do) as a game of luck. Which shows that, much more wisely than mainstream risk management, he sees some games as having both elements: chance and behavioural risk.

Conte was a barrister before he became a jazz composer. He must have a certain understanding of game theory. Even so, it is not unjust of Mourad Mekhail, Hellmuth Milde and myself (sorry, only in German) to deplore the failure of economists to have the grasp of games which the musician has.

A natural thing: failing to draw conclusions

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Vor vielen Jahren verblüffte Paul Grice mit einem Beispiel eines Sprechakts, das zu kompliziert daherging, um mit Mitteln der Analyse formaler Sprachen angegangen zu werden, gleichzeitig sehr alltäglich war. Ich gebe es in vereinfachter Form wieder: Es ist spät abends, Grice liest etwas Spannendes, als seine Frau plötzlich aus dem Schlafzimmer hustet, so wie sie immer hustet, wenn sie ihn glauben lassen will: “Ich weiß, mein teurer Paul, dass du weißt, dass das nicht der Husten einer Kranken ist, aber gerade deswegen setze ich ihn ein, damit du gleich einsiehst, dass ich so tue, als ob, weil ich mir vernachlässigt vorkomme”.

Was Grice weiß, ist, dass seine Frau nicht krank ist. Was Frau Grice weiß, ist, dass Grice weiß, dass sie nicht krank ist. Was Grice weiß, ist, dass seine Frau weiß, dass er weiß, dass sie nicht krank ist – usw. usf.

In Anbetracht dessen ist es erstaunlich, dass Grice trotz allem zu ihr läuft und so tut, als wüsste er nicht, was dieser Husten ist. Das ist albern! Wieso passiert es?

Grices Erklärung für diese erstaunliche Wendung lautet, dass seine Frau letztendlich trotz allem ihre Meinung klar mitteilte, weil “meinen” in den natürlichen Sprachen eine sehr komplexe Situation darstellt.

Das Thema war sehr modisch in den 70ern und 80ern. Andreas Kemmerling, der die nicht seltene Eigenschaft hatte, eine Zeit lang mein Doktorvater zu sein (ich wechselte vier Stück, bevor ich meine Diss schließlich einreichte), bestritt, wenn nicht eine ganze, so mindestens eine halbe Karriere mit einem Aufsatz, in dem er zu der Einsicht gelangte, nach der vierten Iteration sei es unklar, was Grice und seine Frau wissen würden.

Kemmerling ist natürlich ein cooler Typ und man konnte ihm allein deshalb fast alles lassen. Aber ich denke, dass “Meinen” trotzdem eine viel einfachere Bedeutung hat. Hier ist ein Gedankenexperiment, das ich zur Bekräftigung meiner Behauptung anführen möchte:

Einem ehrlichen, moralisch integren jungen Mann (nennen wir ihn Jack) ist eine junge Frau (nennen wir sie Jenny) sympathisch, die er aber nicht belagert, weil sie, sagen wir, die Freundin eines Freundes ist. Immerhin zeigt er ihr, ehrlich wie er ist, seine Sympathie. Die ahnungslose Jenny fragt Jack in einem Moment, in dem die beiden allein unterwegs sind, warum er nervös ist. Jack ist, wie gesagt, ehrlich; grundsätzlich jedenfalls.

Opfert nun Jack seine Ehrlichkeit seiner Integrität oder umgekehrt seine Integrität seiner Ehrlichkeit? Die moralische Intuition spricht für Ersteres. D.h. er wird stets behaupten, er sei gar nicht nervös. Er wird lieber als Lügner erscheinen wollen! Das wird peinlich für ihn. Als ein Hypokrit wird er da stehen.

Trotzdem wird er bestreiten, nervös zu sein. Jenny wird das nicht hinterfragen. Wenn Jenny – angenommen – weiß, dass Jack seine Nervosität nie geleugnet hätte, wäre diese nicht suspekt, und auch weiß, dass er nervös ist, wird sie wohl denken müssen, dass etwas Suspektes vorliegt. Trotzdem weiß Jenny nicht alle Implikationen ihres Wissens. Sagt Jack: “Ich bin gar nicht nervös”, so steht sie auf der Leitung. Wissen ist nicht geschlossen unter Implikation. Das erscheint paradox, denn Wissen standardweise geschlossen unter Implikation ist. Aber im Alltag gibt’s kein logisches Allwissen.

Dieser Umstand allein lässt das Gricesche Beispiel auch als kein Wunder erscheinen. Paul geht zu ihr, bevor er nachgedacht hat, ob das für beide albern ist.

Zum Glück! Sonst wäre jeder Versuch, Bedürfnis zu signalisieren, ohne Schwäche zu signalisieren, albern. Mit schlimmen Erfolgen für Paare.


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Quite a few years ago, Paul Grice launched a new way to understand “meaning” with a thought experiment that was too complicated to be analysed with formal tools of analysis, at the same time depicting an everyday communication. It’s late in the evening. Grice is reading something exciting when his wife coughs in the typical way she coughs when she insinuates: “I know, dear Paul, that it is clear to you that this is not the coughing of an ill person but what else can I do to make you see that I feel neglected, without making you believe that I’m ill and also without losing my pride?“

By assumption then, Grice knows that his wife is not ill and Mrs. Grice knows that Mr. Grice knows that she is not ill. And since he knows his wife well enough, Mr. Grice knows that Mrs. Grice knows that he knows that she’s not ill. Because – come on now! – the point is to make him stop reading this book. Etc…

Putting all this together, it is surprising that Paul interrupts his reading to go to the bedroom.

Grice’s explanation of this, was that in spite of regress his wife manages to send a meaningful message he understands. After all, in ordinary language, meaning corresponds to a very complex state of mind.

This is in the meanwhile old stuff. Not as old as Plato but, at least to analytic philosophers, so mainstream that it gets boring. And, I think, false. I’m inclined to analyse “meaning” – also “meaning” in a loop – in a much simpler manner.

Take this young and honest man of moral integrity (call him Jack) who’s in love with his best friend’s wife (call her Jenny). Since he’s honest, he’ll show her his admiration. But since he has a sense of moral integrity he will refrain from making any advances towards her. At a lonely moment, however, Jenny asks Jack why he seems to be nervous. Will Jack sacrifice his integrity for his honesty or vice versa his honesty for his integrity? There is a moral intuition for the latter. But how can the answer “I’m not nervous” not sound hypocritical?

Yet, even if Jenny knows that if Jack didn’t like her he wouldn’t deny his obvious nervousness and she also knows that he’s nervous, she does not necessarily reflect to know that ergo he likes her.

Therefore, of course, Jack will say that he’s not nervous and Jenny will not question this. Knowledge (at least her knowledge) is not closed under implication. Of course, the standard view in epistemic logic is that knowledge is closed under implication. But this does not mean that Jenny is constantly reflecting on what she knows. Therefore she is not aware of all the implications of her knowledge.

This is also why Grice goes to his wife. He doesn’t have the nerve to draw all the conclusions from the regress to decide that going to her would be silly.

Fortunately so. Otherwise every attempt to show need without showing weakness would appear silly with fatal consequences for couples.

Presenting presents

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Die Nachweihnachtszeit ist eine Bewältigung der durch die Geschenke ausgedrückten Liebe, des Erratens oder Missratens, schließlich der “Friss oder stirb”-Indifferenz. Vergessen wir den letzten Fall.

Es gibt Geschenke mit einer bedeutungsschwangeren Verpackung. “Du musst mich mögen”. Andere sind ohne Hülle: “Auch ohne Weihnachten hättest du mich, denn ich gehöre zu dir”. Vergessen wir auch diesen letzten Fall.

Es ist einfach, sich nach dem Auspacken beim Stifter eines geglückten Geschenks zu bedanken. Es ist dagegen eine schwere Last, sich nicht anmerken zu lassen, dass das Geschenk missglückt war. Deshalb war wohl die Verpackung da: “Vorsichtshalber mache ich es später auf”. In Griechenland ist es ein Zeichen sehr schlechter Manieren, ein Geschenk vor dem Stifter auszupacken.

Riskanter ist das Vorstellen des (unverpackten) Geschenks in Tarkowskis Opfer. Unten finden meine Leser den Clip. Wer den ganzen Film sieht, wird feststellen: In ihm geht es um verpackte, heimliche Opfer für die Geliebten, die es nicht verdienen, geliebt zu werden.

Dabei geht es beim Schenken nicht um Verdienste. Schenken ist nicht die Auszahlung eines Gehalts.

Eine tiefere Übereinstimmung zwischen Tarkowski und der griechischen Sitte sehe ich doch noch. Die Spender werden wir so viel mögen, um ihnen wenigstens die Einsicht zu ersparen, wir hätten die Spende nicht verdient, oder?

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The time after Christmas is one in which you have to deal with other people’s love, correct or false guesses about your taste, finally their indifference, everything expressed in their gifts. Let’s forget the last case.

Some gifts come with a question-begging packaging. “You have to like me”. Others are given unwrapped. “I knew you needed me and I would be here even if there was no Christmas”. Let’s forget also this last case.

After you unpack a gift, it is an easy task to thank givers if they wanted you to be happy and you are happy. But it is a huge burden to know that they wanted you to be happy and you are not. This case is probably what the packaging was for. In Greece it’s bad manners to open a present in front of the donor. A more risky move is presented by Andrei Tarkovsky in the Sacrifice. Watch the clip above. And then watch the whole movie. It’s about gifts and secret sacrifices for people who are undeservedly important to you. I could have omitted “undeservedly”. Donating has nothing to do with deserving or not deserving. A donation is not a salary.

After all, you see, Tarkovsky does agree with the Greek custom. Do not open your presents before the donors disappear. You don’t want them to notice that you didn’t deserve the donation. At least you like them that much, don’t you?