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Einerseits Entwicklungspsychologie zu lehren, gleichzeitig ausgerechnet mit einem Zug zur Arbeit zu fahren, der den Namen des Begründers besagter Disziplin trägt – nun: Das klingt wohl nach einem außerordentlichen Zufall, oder?
Andererseits: Wenn du einen schweizerischen Zug taufen willst, wer sind die großen Namen, die in Frage kommen? Wilhelm Tell, Henry Dunant, Jacob Burckhardt, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und da wird’s langsam dünn, aber – wart’! – Jean Piaget ist mit diesen Größen auf Augenhöhe, oder? So gedacht, ist der Zufall des Miteinemzugnamensjeanpiagetzurarbeitfahrens doch nicht so groß, auch wenn Jean Piaget die wichtigste Inspiration für diesen Job ist, zumal es sich um den Zug Richtung Neuenburg und Genf ist, in Richtung der Geburtsstadt und der alma mater bzw. grata filia des Giganten.
Wie überraschend ein Zufall ist, hängt von der Kausalkette ab, die den Zufall verursachte. Je mehr wir wissen, desto weniger überraschend sind die Zufälle.
Piaget hat das im Grunde am Beispiel der Kinder gezeigt, die nicht mehr analogisch denken. Wie sie mehr und mehr bewusst darüber werden, was die Kausalität ist, lehnen Kinder abergläubische Ideen ab. Sie denken mit sechs nicht mehr, dass das Herunternehmen einer Fahne den Wind zum Stillstand bringt; nicht mehr, dass sie weniger unglücklich werden, wenn sie vorgeben, albern zu sein; und viel später wissen sie (sie sollten jedenfalls), dass die Wahrscheinlichkeit, einen Zug namens “Jean Piaget” zu nehmen, mindestens gleich der Wahrscheinlichkeit ist, irgendeinen anderen Zug zu nehmen, an irgendeinem Gleis zu stehen, irgendein Leben zu haben – so jedenfalls, wenn sie selber entscheiden und wenn sie wie der Torwart vor dem Elfmeter entscheiden.
Kinder und spätere Erwachsene lernen ein Leben lang, Analogie und umgekehrte Kausalität zu vermeiden und selber der Torwart zu sein, d.h. diese Aufgabe nicht anderen zu überlassen.
Ich muss nun aufhören, das hier zu schreiben. Denn ich muss zu dem zurückkehren, woran ich vorher schrieb: Gelmans und Markmans (1986) Studie über die Beeinflussung des logischen Denkens Vierjähriger durch sprachliche Klassifikation, durch Kategorisierung.
Das ist genau das Gegenteil davon, was Piaget zu diesem Thema befand.
Piaget dachte nämlich, dass die Entwicklung des zugrundeliegenden logischen Denkens der Ursprung der linguistischen Klassifikation ist, zu der Kinder fähig sind. Nicht umgekehrt!
Bedenkt meine Leserschaft, was meine Gedanken im Zugabteil sind, begreift sie dann, warum die andere Person in demselben so verstört vorkommt.
Enough with scrolling
Being a person who teaches developmental psychology and going to work by a train called after the founder of the discipline – well, this sounds like an extraordinary coincidence. On one side.
On the other, what are the big names you can give a Swiss train after all? William Tell, Henry Dunant, Jacob Burckhardt, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt – the series threatens to be not very much longer and, of course, Jean Piaget is on a par with these persons in Swiss history. By this consideration, the coincidence of going to work on a train named after the person about whose work you think more than anyone else’s while you work, is not that monstrous after all, especially if you take the train that goes to Neuchâtel and Geneva or, at least, in the direction of what was Piaget’s home and alma mater and grata filia and all the rest that the University of Geneva was for him.
The measure of surprise because of coincidence is dependent on what you know about what caused the coincidence. The more you know, the less surprising you find the coincidence and at the end you don’t call it thus at all.
This is after all what Piaget showed about analogical thinking. As they get more and more conscious about causation, children abandon the superstitious idea that the world is governed by coincidence and reverse causality. They suddenly realise after the age of six that they can’t stop the wind by taking a flag down. They gradually realise as they get older that they can’t stop being unhappy by pretending to be goofy. Grown-ups, finally, know (or should know) that the probability to be on this one train, on this one track, in this one life, is as big as being on any other train, on any other track, in any other life you eventually chose to be – provided that you were the one who chose.
Now, I must stop writing this to return to what I was writing before: about Gelman’s and Markman’s (1986) study of linguistic categorisation that influences the logical thinking of four-years-olds. This is exactly the opposite of what Piaget said on this topic. For Piaget, you see, the development of an underlying logical thinking is the origin of linguistic classification made by children, not vice versa. If you consider what I’m occupied with in this train compartment, you can imagine why the other face in the same compartment looks rather annoyed.
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