Self-reference and the amelioration of mankind

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Es wäre vor Jahrzehnten unvorstellbar, gleich mehrere Hits zu haben, die selbstreferentielle mentale Prozesse thematisieren. Songs, die für eine ganze Generation plakativ sind wie Amy Winehouses Wake up alone und AnnenMayKantereits Ich geh heut nicht mehr tanzen, sind solche. Sie thematisieren das Nachdenken übers Nachdenken und das Vergessen der Gründe zu vergessen.

Selbstreferenz – es lieben zu lieben, es hassen zu hassen, vergessen zu vergessen, daran denken zu denken – und die damit zusammenhängende Verstärkung eines mentalen Effekts sind äußerst wichtig für unser seelisches Leben und die Generation der Zwanzig- bis – sagen wir – Fünfunddreißigjährigen, für die diese Songs bezeichnend sind, scheinen diese Lehre gelernt zu haben.

Mir scheint, dass die heutigen Zwanzig- bis Fünfunddreißigjährigen unabhängiger als wir leben können von allem, was Freunde, Familie, Verwandte vorschreiben, diktieren, verlangen. Die Selbstreferenz lässt einen lernen, auf das Eigene statt auf Fremdes als letzte Instanz des Glücks zurückzugreifen. Sei froh darüber, froh zu sein, und hör auf, andere glücklich machen zu wollen, damit du glücklich bist – das ist die Losung.

Generationen müssen wohl aufeinander folgen, damit noch eine Iteration im Denken endlich zu einem Gemeinplatz wird. Diese Generation scheint jedenfalls auf den Geschmack zu iterieren gekommen zu sein.

Enough with scrolling

It would be unimaginable in previous decades for more than one very emblematic hits of a generation to address self-reference and mental facts like thinking about thinking or forgetting the reasons one has to forget. Take for example Amy Winehouse’s Wake up alone and AnnenMayKantereit’s Ich geh heut nicht mehr tanzen.

There is something very remarkable about twenty- to – say – thirty-five-year olds today. They seem to instinctively perceive the message that self-reference – loving to love, hating to hate, forgetting to forget, thinking to think – is incredibly important for our mental life. They learned what there is to be learned about reinforcement in thought.

I believe that they can live more independently (more independently than us, that is) from what friends, family, relatives prescribe and dictate. Self-reference makes one refer to oneself instead of others as the final instance of happiness. The lesson is: be happy for being happy and don’t attempt to make others happy to justify your happiness.

It takes generations to make one more iteration a common place in thinking. If not anything else, this generation seems to enjoy iterations.

Time present and time past…

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Präsens und Vergangenheit sind vielleicht beide präsent in der Zukunft, sagt Eliot in den Eingangszeilen von Burnt Norton, dem ersten der Vier Quartette.

Das ist trivialerweise falsch. Die Vergangenheit ist gar nicht gegenwärtig in der Zukunft sondern sie wird vergangen sein. Ist der 16. April mein Heute, so wird der 16. April am 18. April vergangen sein. Wechsle ich die Perspektive, so war der 18. April, zufällig der heutige Tag, offenbar die Zukunft des 16. April. “Wird sein” und “war” sind die Formen, die zu verwenden sind, wenn ich Zukunft und Vergangenheit vergleiche. Wohlgemerkt ist die verwendete Zeitwortform diejenige Zeit, in der ich nicht bin.

Letzteres passiert auch, wenn ich die Gegenwart mit der Vergangenheit vergleiche. Aus heutiger Perspektive war der heutige 18. April die Zukunft des 16. April. Anders herum ist der 16. April vergangen jetzt. Es gewinnt immer das Tempus der anderen Zeit.

Vergangen ist vergangen – in der Gegenwart vergangen und in Zukunft ebenso vergangen und erst recht. Mach was Du willst. Die Vergangenheit ist nicht in der Gegenwart oder der Zukunft enthalten. Du hättest sie damals auskosten sollen und sollst sie nicht jetzt herbeiführen wollen.

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…are both perhaps present in time future – these are Eliot’s first lines in Burnt Norton, the first of Four Quartets.

In a trivial way, this is false. The past is not, but rather will be past in the future. From the point of view of April 16, April 16 will be past on April 18. And if I change the perspective, April 18 was future on April 16. “Will be” and “was”, the future and the past, are the forms to use when I compare the future with the past and the tense to use is the one of the time in which I am not. The other time wins.

This is also the case when you compare the present to the past. From the point of view of April 18, today, April 18 was future on April 16 but April 16 is past now. The other time always wins.

Past is past – in time future or in time present… You can do what you want, it passed and it’s past. It’s never contained in time future and you should have enjoyed it when it happened.

Leukos ek melanos

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Hätte Aristoteles einen Weißwein aus roten Trauben gekannt, würde er das ein Oxymoron nennen.

Ich bilde mir ein, dass ich auch nicht als Scholar der nichtklassischen Logik diesen Wein gemocht hätte.

Ich nehme ihn für alles, wozu der Merlot und der Sangiovese zu körperreich, wozu der Assyrtiko und der Chardonnay zu trocken sind.

Es gibt wahre Widersprüche. Sie sind, halt’, sehr selten…

😉

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If Aristotle had known a white wine made of a red sort, he would call it an oxymoron.

I believe that I would like this wine even if I weren’t a nonclassical-logic scholar.

It’s a choice whenever a merlot or a sangiovese is too intense and an assyrtiko or a chardonnay too dry.

True contradictions are real. Just too rare.

😉

Nothingness in gold

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Die treue Leserschaft kennt mich gut genug, um mit gutem Grund anzunehmen, dass ich den Ausdruck “Das Nichts in Gold” für eine andere Weise halte, wie man sonst sagen kann: “Kein Gold”.

Die Bedeutung ist dieselbe und da stehe ich auf Carnaps Seite.

Allerdings halte ich trotz Bedeutungsgleichheit die Formulierung “”le rien en or” für tragischer.

Spaziergänge können belehrend sein.

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This is what I found the other day.

I believe that the old readers of this blog know me enough to assume that I consider the thing called: nothingness in gold, only as having no gold. Pretty Carnapian here alright…

The meaning is the same. But the expression “le rien en or” is more tragic…

Über formal unentscheidbare Sätze…

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Es ist der Heimgang nach dem Kinogang. Reden. Was wir mochten, was nicht. Hat er sie geliebt? Hat sie ihn geliebt? So Zeugs…

Neues Kunstwerk. Vor der Kirche. Kein zorniges. Zornige sind Graffiti. Kritik am Kolonialismus, sowas jedenfalls…

Wosss?

Kritik an der Gödelisierung von Formeln eher…

Kritik an der Irrationalität des Rationalen?

OK, das habe ich schon genossen. Praktisch werde ich unter den drei-vier Leuten im ganzen Halbkanton sein (zugegeben, keinem großen), die den Witz verstanden haben, aber die Mathematik und das Unbehagen der mathematischen Logik als hermetischer Witz: Das hat was.

Andererseits hatten wir uns über unentscheidbare Sätze unterhalten.

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It’s the walk back home after cinema. Talking about the movie. What we liked, what we didn’t like. Did he love her? Did she love him?

New artwork in front of the church. Not a very angry one. Angry ones are graffiti. This is something deploring colonialism…

Uh?

Deploring Gödelianised formulae?

Deploring the irrational in the rational?

OK, I enjoyed this one. But the way I understood it, it’s like I’m among the two or three in the whole canton (OK, not a big one) who got the joke.

Mathematics and the discontent of logic as an Hermetic joke. Once again: not bad.

I suppose we had been talking about undecidable sentences.

“An” artificial intelligence

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Selbstverständlich stört es, wenn Studierende, Lernende, junge Menschen solche Texte, Hausarbeiten, Abschlussarbeiten einreichen, die nach allem, was man von den Personen weiß, ihnen nicht zuzutrauen sind. Die Terminologie hochgestochen, die Struktur reflektiert, noch dazu kein Hinweis auf Plagiat. Es stört, weil die Annahme naheliegt, dass der Text mit Hilfe einer Software erstellt wurde, die Texte mit Rückgriff auf große Sprachmodelle generiert; Texte, die formal richtig, inhaltlich gut, stilistisch schön sind und keinen Hinweis auf die Quelle verraten.

Texte, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz generiert werden, sollten an Schule und Uni ihre Nutzer disqualifizieren, aber der Prüfer hat keine echte Möglichkeit nachzuweisen, dass dieser oder jener Text mit künstlicher Intelligenz angefertigt wurde. “Sie kann etwas so Gutes nicht schreiben, ich kenne sie doch”, ist der erste Gedanke. Und dann: “Bin ich noch ein Lehrer, wenn ich meinen Schülern die Möglichkeit abspreche, mich zu beeindrucken?” Schlimm… Der Verdacht ist schlimm, der Umstand, den Verdacht gehabt zu haben, ist schlimm, alles… KI nervt.

Von diesem berechtigten Unmut gegenüber KI bis zur Verwendung des unbestimmten Artikels vor dem Ausdruck “künstliche Intelligenz”, d.h. als eine (sic) künstliche Intelligenz, ist die Distanz die zwischen befreiendem Sex und Vergewaltigung. Wer so spricht, betrachtet den Computer als ein (eventuell teuflisches) Wesen, das uns reinlegen kann, das sich mit bösen Absichten in den Bereich menschlicher Kapazität hineinschmuggelt.

Künstliche Intelligenz ist ohne Artikel zu verwenden, so wie Deduktion etwa oder Logik. So wie es nicht diese oder jene Logik oder Deduktion gibt nach dem Papier oder den Zeichen darauf, gibt es auch nicht diese oder jene künstliche Intelligenz je nach der Hardware. Das Gegenteil zu meinen, ist Anthropomorphismus, der dem Witz über den Analphabeten und den Weinkrug ähnelt: Ein römischer Herr gibt seinem Sklaven, einem ungehobelten Kerl, einen Krug mit Wein und einen Brief mit, in dem dieser, der Herr, dem Empfänger von Brief und Wein seiner Freundschaft versichert und den Wein als deren Beweis erwähnt. Der Sklave, nichts vom Inhalt des Briefes ahnend, trinkt den Wein auf dem Weg und überbringt nur noch den Brief. Als der Empfänger unter Hinweis auf den Brief den Wein verlangt, protestiert der Sklave, der Brief sei kein Mensch, dem man glauben oder nicht glauben könnte. “Was weiß doch das Stück Papier!”

Wer die widerrechtliche Verwendung von künstlicher Intelligenz für den Lehrberuf störend findet, hat wohl jeden Grund, wachsam zu sein. Wer allerdings Sprachmodelle mit deren Trägern verwechselt, sollte etwas intensiver versuchen, über den Unterschied zwischen Botschaft und ihrem Träger nachzudenken.

Das war mein Beitrag zum Weltlogiktag. Fürwahr ein verspäteter. Bei mir war’s Land unter unter der Woche.

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Now, it is, of course, annoying to receive a text that by no means reflects the mastery of terminology by a student. It is annoying because you will assume that it was written by some assistance of a software that takes texts and changes their wording, that remains erudite, retains meaning, contains no reference to the source and, well, manages to keep the source undisclosed.

On one hand, as a teacher, you have to disqualify the user of artificial intelligence, on the other you have no proof that AI was used. No other proof, at any rate, but what you know about the author. This is not a proof, of course. Performance is not a personal constant: “She’s not the person to be so lucid”. If you think thus, then you’re not a teacher. A teacher allows students to astonish her. So, you have no proof because what you think that is your student’s alleged incapacity to write “such a text” you don’t want to use as a proof if you’re a real teacher. And this is annoying: the suspicion that the person cheated, the fact that you had the suspicion: artificial intelligence is such a pain…

Justified complaints because of AI are one thing. But if you go as far as to use the indefinite article in front of the words “artificial intelligence” as an (sic) artificial intelligence, then you’re in a situation similar to mistaking serving as a puppet to be good sex. Those who use the indefinite article, you see, consider the computer as a satanic device that pretends to be an individual human being. AI is not this or that devil. It’s a series of rule-following procedures by which a machine operates with large sets consisting of linguistic expressions. AI is to be used in speech like we use words like deduction or logic. The ones who have the anthropomorphic understanding of AI as a pretending ghost in the machine, are like the illiterate slave of this ancient anecdote.

The illiterate slave receives from his master a letter for a friend and a jug full with wine. On the way, the slave drinks the wine and bears only the letter upon his arrival. The letter, however, announces that the bearer has a jug of wine to deliver as well. Foreseeing to be beaten up as a penalty, the slave tries his last attempt to reverse the situation: “Sir, what does a piece of paper know at all?”

Oh, yes, if you’re a teacher, you have every reason to be concerned about AI. If you, however, mix up sets of linguistic expressions or large language models with the device, well, you have to think a bit harder.

I thought that I had to contribute something to the World Logic Day. A bit delayed, I am. I had a busy week.

Cambridge face

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Jeder und jede hat unzählige Eigenschaften. Eigentlich unendlichviele. Die Eigenschaft, müde oder wohlauf zu sein, weiblich oder männlich oder gutgelaunt; am Leben jetzt; tot in vier tausend Jahren; tot in vier tausend Jahren, sieben Monaten, sechs Tagen, einundzwanzig Stunden, vierzehn Minuten und acht Sekunden von jetzt. Manche Eigenschaften sind stetig, andere nur von kurzer Dauer. Manche sind wichtig. Andere sind weniger wichtig. Andere wiederum sind absurderweise unwichtig. Zum Beispiel meine Eigenschaft, gestern von der anscheinend guten Freundin einer geschmacklos gekleideten deutschsprachigen Bielerin angeschubst zu sein, die mich am Ellbogen fasste und sich für die angetrunkene Freundin entschuldigte, bevor sie in die Namenlosigkeit wieder verschwand. Oder meine Eigenschaft, der soundsovielte in der nach der Größe der rechten Pupille geordneten Reihe aller Lebewesen mit Augen zu sein. Solche Eigenschaften heißen Cambridge-Eigenschaften.

Man könnte meinen, dass unsere Cambridge-Eigenschaften niemals zu unserer Charakterisierung beitragen. Das ist wohl im allgemeinen Fall so. In Situationen wie im Morgenzug allerdings haben Cambridge-Eigenschaften eine plötzliche Wichtigkeit. Nehmen wir Ausdrucksloses Gesicht. Ausdrucksloses Gesicht heißt natürlich nicht so. Ich weiß nicht, wie sie heißt. Ich sitze manchmal im Morgenzug so, dass ich sehen kann, was sie liest. Dann vergesse ich’s meistens. Im September las sie Slavoj Žižek – das weiß ich noch. Dass ich jetzt gerade über sie schreibe, ist eine Cambridge-Eigenschaft von ihr. Auch dass ich im September meinte, ihr Gesicht war wegen Žižek so starr, war eine Cambridge-Eigenschaft von ihr. Ihr Morgenzugspitzname in meinem Idiolekt ist ebenfalls eine Cambridge-Eigenschaft von ihr. Da gibt es freilich mehrere im Morgenzug, wo man die Leute nicht kennt, aber so oft trifft, dass sie etikettiert werden. Und vergegenständlicht… Da gibt es Hüne-vor-der-Tür, Mit-Kollegin-zu-persönlich-redende-Tschador-Trägerin usw.

Der Umstand, dass sie hier erwähnt werden, ist eine Cambridge-Eigenschaft dieser Menschen. Dass sie von jemandem erwähnt werden, der den Morgenzug in den Weihnachtsferien nicht nehmen wird, ist noch eine. Und der vom Nebenzug aus fotografiert wurde, während er sie beobachtete. Es gibt tatsächlich viele Cambridge-Eigenschaften…

In den Weihnachtsferien werden Unbekannte weniger beobachtet, da wir weniger Unbekannte treffen. Dafür werden um so mehr Bekannte beobachtet.

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The number of our properties is innumerable. In fact infinite. E.g. being tired at time x, being not tired at time y, being alive now, being not alive four thousand years from now and being not alive four thousand years, two months, three days, seven hours, fifty one minutes and twenty six seconds from now… Being bad-tempered; being happy etc. Some properties are important. Others are rather unimportant. And there are unimportant ones that are absurdly so. Take for example my property of being pushed by a friend of a rather tastelessly dressed speaker of Bienne-style German who apologised to me for her friend’s drunkenness before disappearing again in anonymity. Or my property to be the animal of a certain range of pupil size in the corresponding order of all animals of the planet. Such properties are called Cambridge properties.

You probably think that Cambridge properties never characterise us. Generally, this seems to hold. In situations like on the morning train, however, they are suddenly important. Take Expressionless Face. This is not the real name of the person. In fact, I don’t know her name. However, quite often I notice what she reads. Then I forget it. Last September she was reading Slavoj Žižek. I don’t forget everything. The fact that I’m writing about her at the moment is a Cambridge property of her. Another was my thought in September that her face was so expressionless because of her reading Žižek. Her morning-train nickname in my idiolect is one more. There are many names in many idiolects on the morning train where people are being tagged. And objectified. There you can meet every morning Giant-at-the-Door, Too-much-and-too-Private-Stuff-Talking-Chador-Head etc.

It is a Cambridge property of these people to be mentioned here. By someone who won’t be taking the morning train during Christmas holidays. Who was photographed from the next train while he observed them. As you can see, there are many Cambridge properties…

During the Christmas holidays strangers are not observed so much. People don’t meet many strangers during the Christmas holidays. Nonstrangers, family and friends, are observed instead.

No thing

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Vor dem Nichts. Wohlgemerkt, als wäre es etwas, das Nichts… Vor der Abwesenheit, als wäre diese eine Wesenheit…

Das tut man oft, es ist zudem ein wichtiges Thema von Sartre, es tut auch Fragen für die Semantik auf, denen ich – vor Jahren, ich weiß nicht, was der letzte Schrei in der Fachliteratur ist – mein letztes Seminar an der Uni Erfurt widmete.

Jedenfalls habe ich genug Gründe, diese Ausstellung des Berner Museums für Kommunikation zu besuchen.

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Standing in front of nothingness as if it were something – well: some thing… In front of absence as if it were the only thing present…

This is what we often do, a very important topic of Sartre’s writings, and a serious issue in semantics to which I dedicated, as a matter of fact, the last seminar I conducted at the University of Erfurt. Years ago, it’s true, so that I don’t know what has been written since, but still these are already many reasons for me to visit this exhibition of the Museum of Communication in Bern.

The tyranny of memory

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Die erste Adresse, die ich als die eigene angeben musste, lautete “Ioannou Metaxa dekaokto, Ano Kalamaki”. Ich war ein Erstklässler. Dann ein Zweitklässler. Dann waren in einem Spaziergang in Athen Schüsse zu hören, dann rannten wir wie verrückt, dann ein Jahr lang nichts, dann gab es Krieg auf Zypern und kurz, bevor ich in die dritte Klasse kam, sagte man, wir haben jetzt wieder Demokratie. Die Straße wurde umbenannt, denn Ioannis Metaxas war ein Diktator. Zwar nicht derjenige, den wir gerade losgeworden waren, aber Diktator bleibt Diktator. Bekümmert hat mich die Umbenennung allerdings nicht. Wir sind gleichzeitig umgezogen, haben Ano Kalamaki verlassen. Meine Schule war in Glyfada, mein Vater Insulaner. Also ging’s an die Küste. Plötzlich waren wir von Reedern und Fabrikanten und amerikanischen Offizieren umgeben – so war damals Glyfada, als Shopping- und Yachting-Paradies stellte es sich später heraus – und unsere Straße hieß “Eleutherias”. Freiheitsstraße – das klang nach Demokratie. Ich fing zu schwimmen an. Beim lokalen Verein, versteht sich, einem mit mehreren Auszeichnungen und eigenem Schwimmbecken. An der Ioannou Metaxa Straße, Glyfada. Anders als die Ioannou Metaxa in Ano Kalamaki wurde nun die gleichnamige Straße in Glyfada nicht umbenannt. Dieser Ioannes Metaxas, der von Glyfada, war nämlich ein lokaler Altbürgermeister, einer, der es verdiente, kommemoriert zu werden. Seit wann ist es eine Sünde, zufällig diesen Namen zu tragen, den ein anderer trug?

Wie trüglich allerdings jede Harmonie und so auch diese.

Irgendwann kamen die Sozis an die Macht und die hatten eine Finanz- und Sprachpolitik. Der Finanzpolitik zum Opfer zogen wir an die Pandoras-Straße um, Ecke – was denn sonst? – Ioannou Metaxa. Die Pandoras-Straße war tatsächlich so etwas wie Pandoras Büchse: die Insolvenz meines Vaters, Philosophie und Psychologie und Pädagogik und immer musste ich erklären: “Ecke Ioannou Metaxa, das ist nicht der Diktator, sondern jemand anders”.

Die Sozis hatten eine Finanz- und eine Sprachpolitik. Im Rahmen letzterer wurde entdeckt, dass der Altbürgermeister von Glyfada namens Ioannes Metaxas einen Vater namens Angelos hatte. Des Diktators Vater aber – alle haben einen Vater – hieß Panagis. Also wurde die Prachtstraße von Glyfada in “Ioannes Angelou Metaxa Straße” umbenannt. Gewissermaßen ein sprachliches Ungetüm, wenn man schreibt: “Straße des Johannes Metaxas, Sohn von Angelos”, aber die Eindeutigkeit war damit hergestellt.

Trotz aller Mühe war eine Nähe zum Diktator erhalten geblieben. Professor Pantelis Bassakos, ein Ricoeur-Schüler und der Mann, der mir in Sachen Rhetorik alles beibrachte, was ich weiß, sagte mir einmal: “Das Wort “Feuer” brennt zwar nicht, aber wenn du zehnmal “Scheiße” hintereinander sagst, rümpfen die Leute mit der Nase”.

Im Endeffekt, wer weiß überhaupt, wessen Vatersname Panagis und wessen Angelos heißt?

Also wurde die Straße nochmal umbenannt in “Straße des Bürgermeisters Johannes Angelou Metaxas”. Diktatoren sind nie Bürgermeister, oder?

Oder doch?

An der Pandoras-Ecke Metaxa bin ich nicht mehr zu Hause. Immer wenn ich in Glyfada bin, bin ich an der Xanthou-Straße: sehr plakativ, sehr glyfadamäßig mit Blick aufs Meer. Die Ikone von Glyfada.

Ach ja, wenn ich vom Meer rede: natürlich bin ich unten an der Xanthou Straße, sonst wie wäre das Meer zu sehen?

Eben Ecke Xanthou-Metaxa.

Die Prachtstraße ist nochmal umbenannt worden in: “Straße des Bürgermeisters Metaxas, Sohn von Angelos”. Der Vorname des Bürgermeisters ist endgültig weg. Nicht allerdings derjenige seines Vaters

Ich sage voraus, dass die Metaxas-Straße in nicht allzuferner Zukunft in “Angelou-Straße” umbenannt werden wird. An das Angelus-Gebet auf dem Vatikan wird das erinnern, bestimmt jedenfalls nicht an den griechischen Diktator, der heute vor 83 Jahren Mussolini die Stirn bot und Griechenland in den Zweiten Weltkrieg an der Seite Großbritanniens führte. Die Leute denken, dass die Eigennamen Träger von Eigenschaften wären. Wer von Helena betrogen wurde, wird diese nette, hübsche, neue Bekanntschaft namens ebenfalls Helena wahrscheinlich nicht daten. Als wäre “Helena” kein starrer Designator, sondern ein Appellativum.

Wenn diese Albernheit eine flächendeckende Tendenz wäre, könnte man sich wenigstens orientieren. Alte, negativ besetzte Namen wären untragbar und würden nicht mehr gegeben. Aber nein! Der bekannte Weinbrand erinnert nicht an den Diktator.

Den Weinbrand assoziiert der Grieche wahrscheinlich stets mit dem alten Slogan “Metaxy mas: Metaxa” (“Unter uns: Metaxa”) und auf einmal klingt Metaxa mehr nach ausgelassenem Sex als nach dem quasi Rex. Bei einem Glas Metaxa erhält Helena doch noch eine Chance.

Gibt’s den Wunsch nach vertiefender Literatur zur Verwässerung (oder Veralkoholisierung) der Eigennamen als Träger von Eigenschaften? Da habe ich Pavel Florenskijs Imena (Namen). Es ist Gift für den analytischen Verstand, also mit Vorsicht genießen. Bei einer akuten Vergiftung dürfte Kripkes Name und Notwendigkeit helfen.

Aber da bin ich nicht ganz sicher.

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I will claim that the famous Greek spirit, I mean the spirit to drink, not the spirit to think, has something in common with the adventures of this street name – and all together has something in common with the spirit to think.

The first address I learned to mention as mine was “Ioannou Metaxa dekaokto, Ano Kalamaki”. I attended the first grade of a reformed elementary school back then, upon which the second grade followed when, during a walk in downtown Athens shooting was heard for us to run for our lives. Almost one year long after that, I can’t recall what happenned to me personally, but short before the third class began they said we were on war or maybe so and definitely Cyprus was and then the democracy was restituted. My street was renamed because, they said, said Ioannis Metaxas had been a dictator. Not the one we had recently got rid of, but still… I don’t remember me telling to anyone at school to change my address in their files, though, because we left Ano Kalamaki towards the coast, in Glyfada. The school was there, dad was an islander… The new address, surrounded by ship-owners and industrialists and American officers – the suburb wasn’t yet changed to be the shopping and yachting paradise which it is today – was called Eleutherias Street, which is Greek for freedom and sounded like democracy without any need to rename. An Ioannou Metaxa Street existed in Glyfada too, in fact very close at home, adjacent to the swimming pool. The local swimming club is very prestigious, I was a one of its young athletes.

A peculiar thing in my eyes was, however, the fact that, unlike its synonymous of Ano Kalamaki, that Ioannou Metaxa Street in the new suburb, Glyfada, wouldn’t be renamed. They said that said Ioannes Metaxas, the one after whom the street in Glyfada was named, had been a mayor of Glyfada; someone with a justified right to be commemorated. Since when is it a sin to have accidentally the name which someone else also bore?

Like every harmony, this was also a delusory one.

The socialists came to power and they had their own financial and linguistic policies. Because of the financial policies, we had to move to a cheaper flat nearby, at Pandora Street. To be more precise, it was at the corner of Pandora and – what else? – Metaxa.

Pandora Street was kinda Pandora’s Box. Dad’s bankruptcy, philosophy and psychology and pedagogics, and new friends at the university and I always had to explain: “At the corner of Pandora Street and Ioannou Metaxa Street, not the dictator, someone else”.

Yes, the socialists had financial and linguistic policies. In the context of the latter it was discovered that the late, commemorable mayor of Glyfada had a father named Angelos whereas the homonymous dictator had one – everyone has a father – named Panagis. This was the rationale of renaming the iconic Ioannnou Metaxa Street into Ioannou Angelou Metaxa. On the face of it: “Street of Ioannes Metaxas, son of Angelos” is a monstrosity, but at least the name was now unambiguous.

Alas, in this case, unambiguous doesn’t mean less confusing. The dictator’s name was still written and heard. Professor Pantelis Bassakos, Ricoeur’s student and a man who showed me everything I know in rhetoric, told me once: “The word “fire” doesn’t burn. But in you say “shit” ten times, people will start to turn their noses up.

Who would know whose father was named Angelos and whose was called Panagis anyway?

So they renamed the street once again into “Street of Mayor Ioannes Metaxas son of Angelos “.

Dictators are never mayors.

Or are they?

The place at the corner Pandora-Metaxa is past. Whenever I’m in Glyfada, I stay at Xanthou. Also very iconic and Glyfada-like, with a small sea view. Well, rather low, in the beginning of Xanthou Street. How would I be able to see the blue of the sea otherwise? At the corner to – from what I wrote here, you probably guessed even if you have never been there – well, at the corner Xanthou-Metaxa; a Metaxa renamed again into “Street of the mayor Metaxas, son of Angelos”. The mayor’s first name disappeared, not however his father’s first name.

My prediction is that the last renaming to settle things will be “Angelos Street”. It will be reminiscent to Angelus in Vatican instead of the Greek dictator who decided exactly today 83 years ago that Greece would back the British in the WWII.

It seems that people see in proper names bearers of properties rather than rigid designators. Which is strange. If your ex was named Helen and Helen betrayed you, then chances are that you won’t date this new acquaintance, a kind and pretty lady named also Helen, as if the name had been a bearer of secondary properties.

But again, this doesn’t happen globally. The Greek spirit by the name Metaxa is free of associations with the dictator. People seem to think rather of this old slogan “Metaxy mas Metaxa” (Among us: Metaxa) and the name is automatically then reminiscent rather to lascivious sex than to a quasi rex. A glas of Metaxa makes even Helen of Troy a good candidate, and this not only for a date.

If my readers feel tempted to read more on proper names perceived to be bearers of secondary properties, then they should read Pavel Florensky’s Imena (Names). It’s poison for your brain, so enjoy responsibly. In case of an overdose, Kripke’s Naming and Necessity should be able to help.

But I’m not quite sure about this.

Beyond the impossible

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David Lewis brachte uns bei, dass die möglichen Welten der Gegenstandsbereich der Modallogik sind. Francesco Berto und Mark Jago fügten die unmöglichen Welten als Gegenstandsbereich der parakonsistenten Modallogik hinzu.

Ach, meine Freunde: Selbst über die unmöglichen Welten müssen wir hinausgehen!

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David Lewis taught us to take possible worlds as the domain of discourse of modal logic. Francesco Berto and Mark Jago showed us that impossible worlds are the domain of discourse of paraconsistent modal logic.

But, alas, we have to transcend the impossible itself!