Vom Münchner Hauptbahnhof und von Blau: Ulrich Blau

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Kurzbesuch in München. Nach Jahren. Die Zentralhalle des Hauptbahnhofs – abgerissen. Endlich! Diese Fassade erinnerte mich an schlechte Momente meines Lebens.

Privation ist der Fall, wenn etwas vermisst wird. Es ist kein Fall der Privation, wenn etwas einfach nicht da ist. Offenbar vermisse ich die Zentralhalle nicht. Allerdings vermisse ich irgendeine Zentralhalle, denn ohne Zentralhalle gibt es z.B. weniger Geschäfte und einen schlechteren Zugang zu den Gleisen. Nun ist es bei den Negationen so: Wenn keine Zentralhalle da ist, dann ist die alte auch nicht da. Bei den Privationen ist diese Implikation nicht gegeben: wenn ich irgendeine Zentralhalle vermisse, muss ich nicht unbedingt die alte vermissen.

Habe ich gerade ein Gegenbeispiel zu Blaus Dreiwertiger Logik der Sprache entdeckt? Wenn ich Recht hier habe, ist die Privation nicht einfach eine “innere Negation” im Sinne Blaus. Trotzdem halte ich Blau für den wichtigsten Münchner Logiker seit Wilhelm von Ockham natürlich… Keine Frage.

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Paid a flying visit to Munich, years after we left. The main building of the Central Station, iconic in its functional facelessness, torn down. I’m so happy they did this. I associated this facade with bad memories.

You are deprived of something only if you miss it. Not simply if it is not there. Obviously then, I am not deprived of the main building of Munich Central. But I did miss the shops and the easy access to the trains when I entered the station from the side. In negative sentences there is an implication here: if there’s not any main building, then the old one is not there either. In privative sentences things seem different: if I am deprived of a main building, I am not eo ipso deprived of the old one.

Is this a counter-example to Blau’s Three-valued Logic of Language? If so, pace Blau, privation is not simply an “inner negation”. Blau remains the most important logician of Munich since Occam, so he can manage the little scratch.

Unterwegs zur Kampenwand

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Auf einmal kann man nach links oder nach rechts. Links: sehr matschig, fast abenteuerlich. Rechts: für angenehme Gespräche während der Wanderung. Es ist kein Dilemma. Beim Dilemma weißt du, was auf dem Spiel steht: Fitsein etwa. Oder Sich-austauschen. Das Ziel ist bekannt. Hier ist das einzige bekannte Ziel das Wanderziel. Das ist wenig. Du musst fragen. Den abenteuerlichen oder den Diskutantenweg? Wenn das Spiel symmetrisch und gerecht sein soll, sollen die Befragten deine Meinung auch wissen. Bloß: Deine Meinung ist nicht von derjenigen der Befragten unabhängig, erst recht nicht, wenn es sich um die eigene Familie handelt. Ihre Meinung sollte auch nicht von deiner Meinung unabhängig sein. Das ist John von Neumann. Das ist ein Nullsummenspiel.

Eine wenig bekannte Maxime der Eheberatung durch den Privatgeistlichen in der Ostkirche lautet: Du sollst in der Familie nachgeben, besonders dann, wenn die anderen nicht nachgeben. Das sollte auch für die anderen gelten, oder? Gilt aber per Annahme nicht, denn, damit du nachgibst, müssen sie unnachgiebig sein. Diese Maxime, die wohl für die niedrige Scheidungsquote in Südosteuropa im Vergleich zum restlichen Kontinent zuständig ist (https://www.businessinsider.com/map-divorce-rates-around-the-world-2014-5?r=DE&IR=T), ist kein Nullsummenspiel und nur möglich, wenn ein Spieler andere Prioritäten hat, womöglich sich sogar nicht als homo oeconomicus verhält. Es erzeugt unauflösbare Familien aus Egoisten einerseits und Heiligen (oder Opfern) andererseits. Von Neumann (ich lese gerade die Theorie der Gesellschaftsspiele, wenn ich nicht wandere) würde die Situation als ungerecht und asymmetrisch bezeichnen.

Gut, mag sein. Aber wie viel besser ist die Situation bei Familien, die aufgelöst werden, wenn das heilige Opfer in denselben endlich auch ein Nullsummenspiel spielen will?

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They do as if there was no option to decide upon. But there is one. The way to the left is adventurous. The one to the right is for continuing discussion. No dilemma of course, because in the dilemma you know the objective and you only deliberate about the means to achieve it. Here you have to ask them and you know that your own opinion will not be independent from what they say. This should be also their maxim: they ask you and your opinion does not only influence the result; it influences their own opinion. The game is symmetrical and just, a John-von-Neumann-like zero-sum game.

Unknown to the wide public is the most common marital advice orthodox priests give: give way to their wish, especially when they would never consider giving way to yours. You will probably assume that this is also a maxim for the others. But it cannot be. By assumption, the others must be unindulging for you to indulge. I suppose this maxim to be one of the reasons of much lower divorce quotes in South-East Europe if you compare them to those of the rest of the continent (https://www.businessinsider.com/map-divorce-rates-around-the-world-2014-5?r=DE&IR=T). Obviously, it results to a non-zero-sum game, surely to one in which at least one of the players (call her the “victim” or the “saint” – it’s the same) has different priorities. Probably, the saint is not a homo oeconomicus.

Von Neumann (when I don’t hike, I read his article titled Theory of Social Games from the distant 1927, when he was still publishing in German), would tag die situation unjust and asymmetrical. I wouldn’t object the tagging. How much better would the situation be though, if the saint suddenly decided to play a zero-sum game?

If I’m not totally wrong, von Neumann’s early article remains still untranslated in English.

Coemeterium et coemesis

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Friedhöfe sind traurige Orte. Alte jüdische Friedhöfe in Deutschland geben mir einen zusätzlichen Grund zur Traurigkeit, die unabhängig von den Trauerfeiern ist, die in ihnen begangen wurden. Wenn zumal kein Weg zu oder aus ihnen führt wie am alten jüdischen Friedhof von Hürben im bayerisch-schwäbischen Krumbach, wirken sie wie losgelöst von der Welt. Dass es sie heute noch trotz der 30er und 40er Jahre gibt, ist auch nicht von dieser Welt.

Die Gottesgebärerin Maria, deren Entschlafung am 15. August gefeiert wird, soll direkt in den Himmel aufgefahren sein. Das erscheint wohl als die falsche Assoziation zum jüdischen Friedhof; vermutlich eine aus dem Umstand resultierende, dass ich den Wunsch nach dem Himmel für Ausdruck der Ausweglosigkeit auf Erden halte. Das klingt jetzt marxistisch, ich weiß… Nicht meine Absicht.

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Cemeteries are places of mourning. Especially old Jewish cemeteries in Germany I find sad independently of the mourning. If they stand in the middle of nowhere, no path to lead to them like the one in Krumbach in the Bavarian Swabia, they seem to be out of this world. For an old Jewish cemetery to have survived the 30s and 40s is something not of this world anyway.

The Mother of God, whose dormition is celebrated on August 15th by the Orthodox and the Catholics, is said to have moved to heaven. You may think that the Jewish cemetery without a path is not a matching association with this. Probably I have it because I think that no way out of a situation (take the word in its Sartrian sense) is the main reason for people to opt for a religious stance.

This sounds probably Marxist. Not my intention.

Betting Dodds or the sleep of reason

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In meiner Studizeit (in Athen musste ich genauso viele Philosophie-Semesterwochenstunden wie klassische Sprachen belegen) hasste ich Dodds’ berühmtes Buch Die Griechen und das Irrationale. Die nietzscheartige Analyse barg ein Religionsverständnis in sich, das für mich damals nicht charakteristisch altgriechisch war. Heute hasse ich das Buch nicht mehr. Damit ist nicht gesagt, dass ich es mag. Bloß behaupte ich im Sinne der Rational choice-Theorie, dass religiöses Verhalten rational ist, was die Hauptthese des Buches, die Griechen hätten sich mit ihrer Religion auf die Unvernunft bezogen, hinfällig macht, wenn ich und die Rational choice-Theorie nämlich Recht haben sollten. Es gibt nichts originär Unlogisches oder Widersprüchliches in Mysterien, Chimären und Gefühlsregungen. Für widersprüchliche Konsequenzen aus Geschichten mit solchen Elementen sind nicht diese Elemente verantwortlich zu machen. Wenn ein Wesen, das halb-Frau-halb-Vogel ist, den Täter eines Mordes quält, den ein lokaler Brauch verlangte, dann gibt es nichts Absurdes daran. Es gibt keinen formalen Widerspruch darin, halb-Frau-halb-Vogel zu sein. Es gibt auch keinen formalen Widerspruch, wenn zwei verschiedene Moralsysteme Gegensätzliches fordern. Ein formaler Widerspruch kommt erst dann zustande, wenn jemand behauptet, beim göttlichen und beim menschlichen Gesetz würde es sich um ein-und-denselben Codex von Gegensätzen handeln. Aber so etwas hat meines Erachtens nie ein griechischer Autor der Antike behauptet.

Ablehnung ist es nur noch, kein Hass, was ich Dodds’ Buch entgegenbringe. Lediglich ein kleines Flämmchen des alten Hasses glimmt noch, wenn mir Dodds’ museumspädagogische Ausgeburten begegnen. Siebzig Jahre nach der Erstveröffentlichung des Buches tut es nämlich weh, wenn es immer noch Kuratoren gibt, die alles auf Dodds’ These setzen, was es in einem Museum zu gewinnen oder zu verlieren gibt. Letztens flackerte das kleine Feuer in mir vor Vitrinen mit grandiosen Exponaten. Der alte Reeder Nikos Goulandris hatte eindeutig ein besseres Gespür für antike Kunst als seine Epigonen für die Auswahl des Personals in seinem Museum für Kykladische Kunst. Sphinx, Greifen, Pan usw. finde ich viel weniger monströs als die dortigen Begleittexte, wonach jene das “Irrationale” darstellen würden. Wie ich immer wieder sage, verschandelt und bagatellisiert die in Griechenland praktizierte Museumspädagogik jedes Exponat.

Dazu eine Geschichte: Ende der Neunzigerjahre haben ein paar bayerische Molkereien die länger haltbare frische Milch lanciert. Ohne Zusatzstoffe. National und international war das neue Produkt ein Renner. In Griechenland verlangte aber der Gesetzgeber, dass egal wie lang ultrahocherhitzte Milch nicht als “frische Milch” in den Regalen stehen durfte und, als das weiterhin geschah, wurde jede länger als drei Tage haltbare “frische Milch” von den Supermärkten konfisziert. Als die deutsche Seite beteuerte, diese Milch sei nicht ultrahocherhitzt, verhöhnte die griechische Presse die widernatürliche bayerische “Superkuh”, deren Milch “frisch” war, aber von der Haltbarkeit her eher der H-Milch entsprach. Ein erstes Expertentreffen wurde vereinbart und ich – damals Doktorand in München und für jeden Pfennig froh – wurde als einer der Dolmetscher angeheuert. Im Treffen waren außer den üblichen Botschaftsattachés und IHK-Heinis Leute des griechischen Fremdenverkehrsamts dabei. Auf den ersten Blick komisch. Auf den zweiten komisch. Auf den dritten nicht mehr. Wo es Kühe gibt, gibt es auch Kuhhandel – und in diesem Fall sogar einen Superkuhhandel.

Nach zweitägigen Gesprächen hatten die Griechen versprochen, etwas für die widernatürliche Kuh zu tun, wenn die Gegenseite aufhörte, sich gegen die griechischen Fremdenführer zu beschweren. Quid pro quo. Es gab nämlich Beschwerden. Und ob es welche gab! Nicht gegen die Verwendung des Begriffs “irrational” durch die museumspädagogischen Fachkräfte – das nicht… Aber laut griechischer Gesetzgebung musste (und muss weiterhin), wer durch ein griechisches Museum führt (es geht dabei nicht einmal um den Berufsstand des Fremdenführers, sondern um den Akt des Erklärens vor einer Menschengruppe) Grieche sein. Das verstößt mit Sicherheit gegen die Freizügigkeit in der EU und eventuell gegen die Meinungsfreiheit. Nun war die deutsche Seite um Ersteres besorgt. Immerhin! Und sie hat ihre Sorge gegen die Lockerung der griechischen Haltung zur Superkuh eingetauscht. Quid pro Kuh. Mensch, so ein sympathisches Tier doch…

Ich war wie gesagt noch Doktorand und brauchte diese Menschen nicht, denn ich war bekanntlich für Höheres vorherbestimmt. Also lästerte ich in der Mittagspause über den griechischen Protektionismus, als Stephanos Tsochatzopoulos, Bruder eines notorischen sozialistischen Ministers und damals Leiter des Münchner Büros des Griechischen Fremdenverkehrsamtes, mich rügte, die Sache, welches Griechenlandbild die Touristen mitbekommen, sei doch von nationaler Bedeutung.

So hat die Politik einer militanten Zunft ein langes Wirken in den griechischen Museen ermöglicht; einer, die bereit ist, dich zu zerren und verbal anzugreifen, wenn sie dich in fremder Sprache vor Familie und Freunden – Gruppen! – etwas über Poseidons Frisur erklären hören. Vor einem Jahr passierte es einem Freund in Akropolis, vor zwei mir im Nationalen Archäologischen Museum.

Die usurpierte Deutungshoheit der Museumsexponate ist eine Sache. Die Deutung eine andere. Die Protegés des griechischen Staates deuten so: “Die Griechen hatten keine Mythen, sondern eine Mythologie, das heißt eine mythische Logik”. Oder: “Für uns heute sind Pegasus und Medusa irrational (sic). Die Griechen sahen das anders”. Der Schlaf der Vernunft bringt Ungeheuer hervor hieß es zu Goyas Zeiten, was aber damals nicht auf die Fähigkeit des griechischen Staates gemünzt wurde, abgefahrene Berufssparten zu erzeugen.

Da ich sehr scharfzüngig gegenüber Griechenland war, wobei die bayerischen Interessenvertretungen glimpflich davongekommen sind, möchte ich den letzten Schluck dieses etwas längeren Ristrettos nicht ohne eine tu quoque nehmen. Ich weiß, dass ich es nicht darf, dass es gemogelt ist, aber ich kann der Versuchung nicht widerstehen.

Der erste Französischlehrer meiner Kinder war ein Franzose, Staatsexamen Französisch. Absolviert in Paris. Er wollte halt’ in München leben. Irgendwas Privates, Freundin, Ehefrau…

Es war eine Privatschule. Privatschulen finanziert der Freistaat Bayern mit, was eine gute Sache ist. Es gibt daher auch Auflagen, was die Ausbildung der Lehrer dort anbetrifft. Ebenfalls eine feine Sache, würde ich sagen. Diese Ausbildung soll dem bayerischen Staatsexamen äquivalent sein. Ich wurde an der LMU promoviert, weiß also, dass die Qualität dort gut ist. Aber jetzt aufpassen, wie Qualitätssicherung interpretiert werden kann: “Für das erste bayerische Staatsexamen muss die Gleichwertigkeit sichergestellt werden. Wenn Sie z.B. in Paris eine Stunde weniger Spezialdidaktik hatten, muss in Bayern eine Lehrveranstaltung Spezialdidaktik mit einer oder mehr Semesterwochenstunden noch absolviert werden. Dann muss das Referendariat absolviert werden. Selbst dann ist die Übernahme davon abhängig, ob Ihr Fach ein Mangelfach ist”. Die Gefahr, den Kindern in Ismaning ein unbayerisches Französisch beizubringen hat ihn zu einem Unterstufen-Halbdeputat, wohlgemerkt an einer Privatschule, eingeschränkt. Dieser protektionistischen Hölle konnte ich im außereuropäischen Ausland der Confoederatio Helvetica entgehen.

Der Leser kann sich vorstellen, wie ich mich fühle – ein Bundesbürger doch – wenn ausgerechnet Markus Söder in der Rolle des Hoffnungsträgers der Konservativen stilisiert wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

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As a student (the philosophy degree in Athens required almost as much classics as it did philosophy) I hated Dodds’s famous book The Greeks and the Irrational. It shed a Nietzschean light on the Greek understanding of religion which, for me back then, was not distinctive of Greek culture. Today, after having encountered the rational choice theory, I claim that religion is a rational form of behaviour and I do not hate the book anymore. Rather, I take Greek rituals in it to be just ill-conceived. There is nothing generally illogical or contradictory in mysteries, chimaeras and emotion as such, at least not as long as they have no contradictory implications. There is nothing absurd in a half-woman-half-bird not letting you sleep if you committed a murder that the local custom required you to commit. There is no formal contradiction in being half woman and half bird and there is no formal contradiction between two different moral codes. Where there is a formal contradiction is when you happen to claim that the human and the divine are the same system of morals. I know of no Greek author who claimed this.

However, even if I can now identify my attitude to Dodds’s book as rejection rather than as hatred, I do hate to see museums place their bets on a 70 years old book. This can also happen in a museum whose collection is as remarkable and worth seeing as the Museum of Cycladic Art. The collection Goulandri-Horn on which the museum was based, is remarkable. But no tycoon is to blame for how museologists educated with Dodds interpret the exhibits they collected. What a monstrosity to say that the monsters of Greek culture and religion: Sphinx, Oedipus, Pan etc depict the “irrational”!

Museology in Greece is a vast assault to the art! I’ve already had the opportunity to opportunity to deplore nationalistic and provincial rhetoric in a Greek museum. But the reader of this post only needs to read the following story: in the late 90s the Bavarian dairies promoted the long lasting fresh milk without preservatives. Greek law demanded it not to be tagged as “fresh”, since it was (and remains) drinkable after two weeks. When the package continued to talk of “fresh milk”, the Greek state reacted by confiscating the product from the supermarkets, Greek officials mocking that the Bavarians obviously claimed to have invented the super cow. It was the time to bargain, but the trade pertained more to horses than to cows: the Greeks gave up their stance towards Bavarian fresh milk still drinkable after two weeks, demanding as a quid pro quo that only Greek citizens will be allowed to guide groups in Greek museums – obviously an assault against free movement in the EU, arguably also against the freedom of expression. I know about the quid pro quo because I happened to be one of the interpretors in the negotiations in Munich. I was still a PhD student, didn’t need them to hire me any more – I was going to become the most exalted professor of philosophy the world has ever seen, wasn’t I? – and in the midday break I referred ironically to Athens’s protectionism in favour of Greek tourist guides, for Stephanos Tsochatzopoulos, brother of a notorious socialist minister and back then director of the Munich bureau of the Greek National Tourism Organisation to reprimand: “Don’t be recalcitrant! The issue is of national importance”. For this issue of national importance politics created a group of militants acting in Greek museums who would drag you and attack you if they hear you using a foreign language in the museum towards the members of your family (a group of people, no doubt) since they do not recognise you as one of the ethnically conform people affiliated to the museum. Last year it happened to a friend in Acropolis, two years ago to me in the National Archaeological Museum.

Since ages Greek tourist guides have conducted the tourists saying deeply erudite stuff like “The Greeks had no mythical teachings, they had a mythology, that is a mythical logic”; or: “For us today it is irrational (sic) to have winged horses or snake-haired women, but the Greeks had no issues with the irrational”. The sleep of reason produces monsters claimed Goya ignorant of the potential of the sleep of reason to produce Greek tourist guides. In fact, ignorant of the ability of politics to create monsters in general.

Since I have been nastier to Greek than to Bavarian politics, let me finish with a tu quoque. I know, I am not allowed to, but I cannot resist. With the Greek policy in mind to allow only Greeks to guide groups in Greek museums think of the following story, the story of my kids’ first teacher of French: until four years ago, we have lived in Bavaria and he was, as I said, my daughters’ teacher of French. A native speaker of the language he was teaching, he had come to Bavaria from France where he had gained his teacher’s degree because of his wife. Something personal anyway… It was a private school alright, but the State of Bavaria co-finances private schools. And since it does so, it legally demands that holders of non-Bavarian teacher degrees – French, Greek, i.e. EU degrees, but also degrees of other German states – either have them acknowledged in Munich (“You had one hour weekly less special didactics in Paris, so you have to go to the university of Munich to re-sit for this, pass the exam there and then accept one year’s apprenticeship wherever we send you for 1.200 euros monthly and your colleagues there have to grade your efforts and then you will be hired only if Bavarian universities cannot cover the demand for your subject”) or accept a contract as a cover for small classes. Succumbing to the state’s scepticism towards French teachers who threaten to teach Bavarian kids an un-Bavarian French, he did the latter. We did something else: We locked the door of our house and said goodbye to it to come to Switzerland – NB, a non EU member.

This said, the reader can imagine how it feels seeing – of all people – the leader of the Bavarian Christian Social Union as the promising new candidate of Mrs Merkel’s party. But this is another story.

Ockham neither lies nor lies here

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Wenn ich dieses Blog für Reiseeindrücke gebrauche, dann meistens, um auf Verstecktes, Unbekanntes hinzuweisen. So z.B. auf die Höhle unweit meiner Wohnung in Attika, die Platon als Vorlage für das Höhlengleichnis gedient haben soll, oder auf die euböische Legende über die Gründe (und Meeresgründe), die angeblich am Tod des Aristoteles auf meiner (seiner) Insel schuld wären.

Vor einer Woche, wieder ausnahmsweise in München, was komisch ist, denn ich kann mich nach 23 Jahren dort wohl auch nach meinem Weggang einen Münchner nennen, dachte ich, dass ich wieder über einen philosophischen Blick hinter die Kulissen schreiben kann.

Das Münchnersein des Wilhelm von Ockham ist mit meinem vergleichbar: Ockham kommt 1330 (663 Jahre vor mir) als Ausländer an den Hof Ludwigs des Bayern. Richtig am Hof lebte er nicht, obwohl er oft dort – ein kaiserlicher Berater doch – gewesen sein muss. Der damalige Hof befindet sich südlich des heutigen Nationaltheaters. An Stelle des letzteren sowie auf dem weitläufigen Vorplatz, ein paar hundert Schritte vom Hof entfernt, befand sich damals das Franziskanerkloster, wo Ockham hauste, den Vorgänger des heute weltweit bekannten Münchener Franziskanerbiers trank und Polemiken gegen den Papst schrieb.

Siebzehn Jahre nach seiner Ankunft in München stirbt Ockham und wird im Münchener Franziskanerkloster  bestattet – so jedenfalls das Sterbejahr auf einem Grabstein, der allerdings keine zuverlässige historische Quelle darstellt, weil er aus dem Kirchenchor stammt, wohin Ockham lange nach seinem Tod umgebettet werden sollte. Komischerweise bittet allerdings ein Jahr nach dem Datum auf dem Grabstein, 1348 also, ein gewisser Münchner Guilelmus de Anglia den Papst um Vergebung. Als im frühen 19. Jahrhundert zwischen der neuen Residenz und dem Alten Hof das Bayerische Nationaltheater gebaut wird, weicht das Franziskanerkloster den Musen. 1932 entdeckt Lucas Wadding besagten Grabstein neu und unterstützt die These, dass dieser nur deshalb 1347 als Todesjahr angibt, um die Annahme zu bekräftigen, Ockham könne nicht der Münchner “Guilelmus de Anglia” sein. Rudolf Höhn pflichtete Waddings These bei. Unter den Ockham-Experten hielt nur Gedeon Gàl ab 1982 am Grabsteindatum fest – wohl zu Recht, nachdem er das Original der Petition wiederentdeckte, wo der besagte Münchner Guilelmus de Anglia als Freund Ockhams ausgewiesen wird – was wohl zeigt, dass er nicht Ockham war. Was für eine schöne Geschichte: Der Namensvetter und Landsmann in der Fremde: Der ja! Der konnte weiche Knie bekommen, das alte Franziskanersigel an den Papst Clemens VI. nach Avignon schicken und huldigst um Vergebung bitten; nicht jedoch Ockham, der unverrückbare Logiker, wo es doch darum ging, die Wahrheit zu verteidigen! Gàls Position erscheint schlüssig, aber mehr Beweisstücke wären natürlich hilfreich. Bloß gefunden konnten sie nicht mehr werden.

Ohne vorherige archäologische Untersuchung war 1963, was unterirdisch unter dem Kloster übrig geblieben war, der Tiefgarage gewichen, die man heute kennt. Nachdem ich diese ein paarmal in einem Vierteljahrhundert zum Parken benutzte (zunächst hatten wir einen Golf, einen weißen; dann einen roten Golf, Turbodiesel; dann einen Opel, das Modell weiß ich nicht mehr), habe ich sie nun zum ersten Mal als Pilgerstätte besucht.

Das unmittelbare Ambiente ist pietätlos, hat allerdings genau die Klarheit und die Wahrheit, die man von einem Logiker erwartet.

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Rarely, I use this blog to give glimpses the reader can expect to find in a philosophical Lonely Planet guide. But even then, they have to be very special, too well hidden behind the surface like the (literally subterranean) Plato’s real cave that turned out to be near my place in Attica or the (literally submarine) personal crisis that Aristotle allegedly failed to get over vis-à-vis the Euboean tides.

What I’m writing today will be something very similar and, indeed again subterranean.

In mid-June I visited Munich for a short time, which feels strange, especially the word “short”, since I lived there 23 years long. William of Ockham’s stay in Munich was only a bit shorter. He went there in 1330 (663 years before I did) and took refuge on Ludwig the Bavarian’s court. Albeit an imperial advisor, Ockham’s place was a monk’s cell in the back-then Franciscan abbey, a couple of hundred yards to the north of the court, where one finds today the Bavarian National Theater and the generous Max-Joseph Square in front of the loggia. There, Ockham drank the beer that was to become today’s famous Franziskanerbier of Munich and wrote polemics against the Pope.

Seventeen years after his arrival in Munich, Ockham dies and is paid the last respects there. Much later his grave is moved to the choir. In the early 19th century the Abbey makes place for the Opera (alias Nationaltheater). Lucas Wadding rediscovers in 1932 Ockham’s gravestone, i.e. the one that stood in the choir, according to which the venerabilis inceptor died in 1347. But, strangely enough, a petition sent to Pope Clemens VI in 1438, one year after the year of death on Ockham’s gravestone, a certain “Guilelmus de Anglia” sends the old seal of the Franciscan Order from Munich to Avignon and asks for forgiveness for decades of polemics. Rudolf Höhn publishes a picture of the gravestone in 1950 and, agreeing with the aforementioned Lucas Wadding, insinuates that the year 1347 on this stone was not only mistaken, but also intentionally so, due to the wish to see Ockham as a person who never apologised for his polemics against the Pope. Only Gedeon Gàl opposes to this position. In fact, Gàl rediscovers in 1982 the original of the petition in which said Guilelmus de Anglia is identified expressis verbis as Ockham’s friend. This straightforwardly means that he was not Ockham. The compatriot, an English émigré in Munich by the same name but without a logician’s firmness might lose his courage. Ockham however cannot but defend the truth! This is Gàl’s message. New evidence would have been helpful to back this nice story, one that was based on one single document. But in 1963 the underground parking lot in the form we know it today was built. The construction had made quick progress because no one remembered to ask the archaeologists to make an excavation first.

In the past quarter of a century I have used the parking lot under the Max-Joseph Square in Munich to park different cars we owned. First a white Golf, then a red Golf, then – I think – an Opel, don’t ask me about the model etc. In mid-June I visited it for the first time as a pilgrim.

The direct ambience is impious but it has exactly the transparency and truth you expect from a logician.

Janus annum circinat

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Dass Janus das Jahr zur Wende bringt, ist nicht ohne Weiteres klar. Normalerweise verbinden wir mit ihm einen Neuanfang. Das ist nicht besonders klug. Auch bei den besten Neujahrsbeschlüssen fangen wir nicht bei Null an. Die Wende ist ein Richtungswechsel, kein Neuanfang.

Punkt, Spiel und Partie also für den Codex Latinus Monacensis 4660, Lied 56: “Janus bringt das Jahr zur Wende”.

Dass wir trotzdem von Neuanfang reden, hat immerhin eine Berechtigung. Janus ist das geeignetste Symbol für die Veränderung des Gleichbleibenden und den Dialetheismus. Bei einer contradictio in terminis kann von mir aus von einem Beginn des Neuen ohne das Ende des Alten die Rede sein. Wer einwendet, dass die Realität frei von Widersprüchen ist, dem würde ich auch Recht geben. Dass es einen ersten Januar gibt, ist ein Teil unserer Sprache, nicht der Realität.

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Janus curves the year. What a strange verse! Not only linguistically. We mostly associate new beginnings with him, not curves.

Otherwise, new beginnings and new year’s resolutions are overestimated. We never begin at point zero. We just (wish to) change. And a change is a turn, a curve, not a beginning.

Game, set and match go to the Codex Latinus Monacensis 4660, carmen 56: “Janus curves the year”.

I would tolerate “new beginning” talk whatsoever. Janus is a symbol for the change of something that remains the same and for dialetheism. When the symbol itself invites contradiction, there’s not much to prevent you from seeing a beginning of the new even if the old still remains. You can say that reality is free of contradiction, of course, but Janus and January are parts of language, not of reality.

Byy Gott, isch daas bigott!

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Peinlich ist es für mich, der ich zwischen 1993 und 2016 als Wahlmünchner galt, über Thomas Ribis Meinungsartikel in der NZZ über Bayern als Land derjenigen zu stolpern, die in der Sache keine Ahnung vom Christentum haben, aber gern das Kreuz demonstrieren, sobald ein Syrer vorbeikommt oder ein Gericht, eine bekannte Unterscheidung Immanuel Kants anwendend, Staatskonformität beim offiziellen Vernunftgebrauch verordnet.

Peinlich ist mir das auch als Bundesbürger. Rund 150 Jahren nach der Reichsgründung gleicht der Umgang der liberalen, rechtsstaatlichen Bundesbehörden mit Bayern immer noch Bismarcks protestantischem Kulturkampf gegen römisch-katholischen Provinzialismus. Eine echte Chance für den Bund, nicht in überheblich-aufklärerischer Manier den Kopf über das kindische Betragen des größten Bundeslandes zu schütteln, ist dabei nicht gegeben, denn es ist auch peinlich, wie beim bayerischen Ministerpräsidenten die Uhr stehen geblieben ist! Kaum angetreten, musste sich Markus Söder (Thema seiner Doktorarbeit in Erlangen: “Von altdeutschen Rechtstraditionen zu einem modernen Gemeindeedikt: Die Entwicklung der Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818”) beim Wahlvolk als gerade der folkloristischen Gegnerschaft gegen das Kruzifixurteil würdig erweisen. Er weiß genau: Sein Standardwähler, insbesondere der xenophobe mit Rautenfahne über dem Grill im Garten, wird sich darüber freuen, wenn in jeder Behörde ein Kreuz hängt. Dass der Ministerpräsident die Autorität des Bundesverfassungsgerichts damit unterminiert, das religiöse Neutralität verordnet, dürfte dem Standardwähler fremd als Bedenken sein. Wohl auch Söder, der in Karlsruhe eine Stadt sieht, die eben nicht zum rechtsrheinischen Bayern gehört.

Ich frage mich, wie lange noch Narrenfreiheit. Wozu braucht diese große Koalition die CSU, die doch stets demonstriert, in einen anders begründeten Staat gehören zu wollen?

Aber das Neue in diesem Kulturkampf ist, wie Kardinal Marx und Weihbischof Bischof (sie heißen wirklich so), den Ministerpräsidenten rügen, das Kreuz für seine machtpolitischen Ansprüche zu missbrauchen. Meiner Meinung nach wird das Kreuz grundsätzlich von den Kulturkatholiken, -protestanten und -orthodoxen missbraucht und der Umstand, dass Marx und Bischof – ersterer doch Erzbischof von München und Freising, letzterer doch kein Erzmarxist! – das sehen, zeigt, dass Söder gerade die Unterstützung der Christen verliert, wenn er sich um die Anhängerschaft eines kulturchristlichen Kulturproletariats bemüht.

Symphonia, der Einklang zwischen Staat und Kirche, ist seit dem 5. Jh. im Westen in Ermangelung einer Reichskirche abhanden gekommen. Dass Söder, ausgerechnet ein in Rechtsgeschichte Promovierter, meint, diese Tradition rückgängig machen zu können, ist, wie das Ganze – und wie gesagt – nur peinlich.

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The facts are shameful, let alone the facts interpreted when the background is taken into consideration: the new Bavarian prime minister prescribed authorities of his southern German state to attach crosses in the halls and offices and did so himself in front of journalists in his own office. By this, he relaunches a political issue of past decades, when Bavaria (back then led by the political idol of the premier) refused to conform with the Federal Constitutional Court’s decision that prescribed religious symbols to be removed from schools on demand of pupils or parents – even of a minority of pupils or parents.

Quite new in the debate, however, is cardinal Marx’s and bishop Bischof’s rejection of the prime minister’s actions. The Bavarian government, although conservatives and politically linked to the chancellor’s party, has been hostile to Merkel’s humanitarian policies to relieve refugees. Using the cross as a political symbol equivalent to “Syrians go home” is something, however, that Marx, at the same time Roman-Catholic archbishop of Munich, and Bischof, at the same time not a Marxist – a joke but not just a joke – warn against.

This is intelligent of them and according to a western and German tradition. Since in the Christian West there has been no state church since the 5th century, the premier’s policy involving religious symbols – a person’s whose PhD thesis was on the history of justice – is not only populism: it is a shame for the University of Erlangen/Nuremberg that granted him the title.

The difference between mockery and hypocrisy in terms of rationality

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Das Bild oben ist ein Grund, antiklerikalen Hohn der Heuchelei vorzuziehen. Wenn Schweinshaxenessen in dieser Gemeinde beim bayerischen Chiemsee als aktive Ablehnung einer scherzhaft gefassten Fastenpredigt gilt, steht die Geste immerhin in der Tradition des Fastenbrechens durch Zwingli im Frühjahr 1522.

Nicht dass ich moralische Einwände gegen die Heuchelei hätte. Eher erkenntnistheoretische. Denn, wenn mit Schweinshaxen eingenommenes Starkbier als ehrliche Vorbereitung auf das in der Predigt propagierte Fasten gelten soll, wohlgemerkt ohne kognitive Dissonanz zu erzeugen, dann spricht das gegen Religion als rationales System.

Meine Beobachtungen bisher zeugen allerdings vom Gegenteil.


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I saw this advertisement in the Bavarian countryside between Munich and Salzburg in Austria. It is an invitation to a fare where high-alcohol-percentage beer would be served along with porc and a sermon for fasting during lent would be addressed.

Now, in the case that this is mockery, anticlerical or any other, it is one in Zwingli’s tradition. Zwingli ate sausages during lent in the year 1522 to emphasise his opposition to church tradition.

In the case that it is hypocrisy, i.e. in the case that the guests would not experience cognitive dissonance during eating sausages while listening to a sermon praising fasting, the fare would be a religious ritual of an irrational character.

Rituals, however, are expected to be rational in character. The pieces of evidence I have for this are devastating. But this is not to say that I have a clue about what happened in Greimharting last Saturday.

Modallogik für Neuburg an der Donau: ein peinlicher Fall von Sensationsjournalismus

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Die SZ berichtete vorgestern, dass Neuburg an der Donau neuerdings wieder eine Adolf-Hitler-Straße hat. Peinlich. Aber noch peinlicher ist der Journalismus, der ins Bullshitting flüchtet.

Bullshit erzählen bedeutet nicht zwingend lügen. Bullshit erzählen kann heißen, eine Wahrheit zu sagen, die im konkreten pragmatischen Kontext mehr verdunkelt als beleuchtet. Tatsache ist, dass der Stadtrat von Neuburg an der Donau eine Straßenumbenennung rückgängig machte. Den Stadträten unbekannt, aber eine direkte Implikation aus diesem Rückgängigmachen, war, dass die betroffene Straße eben so hieß, wie keine deutsche oder sonstwelche Straße nach dem 2. Weltkrieg heißen darf.

Angenommen nun, irgendeine konservative Erweiterung des modallogischen Systems K und zwar eine zwischen S4 und S5 ist adäquat, um epistemische Kontexte zu formalisieren (so jedenfalls die überkommene Weisheit von etlichen Jahrzehnten der Forschung in der epistemischen Logik), so muss der Stadtrat gewusst haben, was er dabei tut. Denn jede bekannte Implikation q eines bekannterweise wahren Satzes p soll nach dem Axiom K: W(p->q)->(Wp->Wq) als bekannterweise wahr gelten. Logisches Allwissen ist die Folge davon – eine unhaltbare Folge über deren Reparatur immer noch Uneinigkeit herrscht. Allerdings sollten wir einem Stadtrat gegenüber, der nicht bedacht haben will, welcher genau der frühere Name der Straße war und damit im Unklaren über die Implikationen eines Beschlusses zu sein behauptet, etwas nachsichtig sein.

Klar, nachsichtig können wir einem Verbrecher gegenüber nicht sein, der behauptet, er könnte nicht wissen, dass das gesamte Zivilrecht impliziere, seine Taten seien strafbar. Damit hat das Desiderat des logischen Allwissens in bestimmten epistemischen Kontexten seine Berechtigung.

Diese Berechtigung für den allgemeinen Fall zu behaupten, ist allerdings eindeutig Bullshitting. Denn selbst die Logik gilt nicht für den allgemeinen Fall. Die Logik ist ein Instrument, das unter bestimmten Einschränkungen nützlich ist. Die Einschränkungen, die für unangenehme Fehlinformation und Ignoranz nützlich sind, sind wohl für Haftungsfragen nicht von Belang. Alles, was wir sagen, gilt nicht absolut, sondern muss einen bestimmten Zweck erfüllen. Soviel Aristoteles in die moderne Logik einfließen lassen können und sollen wir und sei es nur, um Klugscheißer zu hindern, auf die Logik zurückzugreifen.

Neuburg

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A German daily has the story: Neuburg, a Bavarian town at the river Danube has a street renamed to Adolf-Hitler-Straße. Of course, this is unpleasant. But a journalism that sees no other way to make a point than bullshitting is more unpleasant.

Bullshitting is not necessarily lying. You can bullshit someone by telling her the truth – however a truth that in the given situation is misleading. True, the city council of the town cancelled the renaming of the street some decades ago. Unknown to the members of the city council though – albeit an implication of their decision – the street has thereby automatically the name that no street may have after the 2nd World War, in Germany or elsewhere.

Suppose that – like the received wisdom of some decades of epistemic logic insists – some system between S4 und S5 is adequate to capture epistemic contexts. Therefore the city council must have known what they have been doing. This is for the reason that the mentioned systems are conservative extensions of the system K and K’s characteristic axiom: K(p->q)->(Kp->Kq) says that knowledge is closed under known entailment. The consequence of this is unacceptable: logical omniscience. I tend to indulgence, however, when I have to think of these members of the city council trying to defend themselves by declaring that they couldn’t imagine after whom the street was named and, consequently, they ignored the full implications.

Of course, indulgence wouldn’t be my choice against a criminal who claims that he couldn’t know all the implications of civil law concerning his deeds. In cases like this we appear to support epistemic closure.

Nevertheless, you cannot expand your support for epistemic closure to every other realm without committing bullshitting. It’s true that logic is valid for every interpretation. But since Aristotle we know that interpretations are dependent on fixed domains. And talking about who’s to blame for ignorance justifies a domain completely different than talking about penal responsibility.

Ettal Winter 2016

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Vergangenen Samstag fand das Ettaler Oberseminar statt, zum ersten Mal ohne Hans Burkhardt, seinen Initiator vor vielen Jahren und patrem nostrum omnium. Christina Schneider (LMU und Hochschule für Philosophie) und ich übernahmen die Leitung und wir haben vor, zweimal im Jahr dort zu tagen. Für diese Sitzung hatte sie Ludwig Jaskolla (Hochschule für Philosophie) mit einem Vortrag über “Das dynamische Selbst” eingeladen. Jörg Noller (LMU) war mein Gast und er trug über “Personale Lebensformen” vor. Sein Untertitel lautete: “Zur Identität von Personen jenseits von Animalismus, Bewusstseins- und Konstitutionstheorie”. Beide Vortragenden sind untereinander bekannt, sie arbeiten beide über das Thema personale Identität und verfechten in ihren Habilitationsprojekten eine Abkehr vom Substanzialismus.

Ich habe mich bisher sehr wenig mit der zeitgenössischen Debatte zum hard problem beschäftigt, aber dieses Wenig zusammen mit meiner mittelalterlichen Lektüre sowie meiner eigenen Introspektion als Person – was ich jetzt beinahe vergessen hätte 🙂 – lassen mich vielleicht auf etwas altmodische Weise glauben, dass das Bewusstsein eines jeden auf der Selbstbezüglichkeit einer Substanz fußt. Nun haben beide, Noller und Jaskolla, sympathische antisubstanzialistische Ansätze zu bieten, mit denen selbst der Substanzialist leben kann. Noller meint, dass es die Lebensform ist, was ein Wesen als eine und zwar diese Person auszeichnet. Jaskolla meint, dass Nollers Lebensform als Kriterium des Personenseins nicht ausreicht, um Probleme wie Parfits Gedankenexperiment der Duplikation von Personen auf Molekularebene plausibel zu interpretieren. Ich glaube allerdings, dass das parfitsche Gedankenexperiment kein großes Problem für Nollers Argument darstellt. Fragen wir vielleicht eine Mutter vor der Herzoperation ihres Kindes, ob sie lieber das parfitsche Original als ihr Kind ansieht, oder lieber das parfitsche Duplikat mit geflicktem Herzen. Was sieht sie als ihr Kind an? Natürlich das Original und zwar aus Gründen der Kausalität: Sie hatte das Original und nicht das parfitsche Duplikat im Bauch. Das Duplikat ist eine andere Person.

Auch an dieser Stelle möchte ich betonen, wie froh und dankbar wir sind, dass wir in den Personen des Ettaler Abtes, P. Barnabas Bögle OSB, sowie P. Raphael Muhrs zwei Fachkollegen gefunden haben – sie haben beide Philosophie studiert – die ihre Gastfreundschaft als eine selbstverständliche Benediktinerpflicht gegenüber der Wissenschaft verstehen.

Außerdem bin ich Christina Schneider für ihre Bemühungen dankbar, die uns allen die Fahrt nach Ettal ermöglichten. Damit nicht genug bin ich ihr dankbar, weil sie während der Diskussion meinen Standpunkt zu Privation und mehrwertiger Logik verteidigte. Ohne sie wäre mein Argument zur Privation mangelhaft geblieben und ein mangelhaftes Argument zur Privation lehrt uns nichts über die Privation, sondern es ist bestenfalls ein gutes Beispiel einer Privation.

Im Anschluss erreichte mich eine Email von Christina. Unter anderem fragt sie mich, warum sich Logiker immer streiten müssen. Das weiß ich nicht, dadurch komme ich aber auf meinen letzten Dank für heute: Danke an die Diskutanten! Ohne sie hätten wir gar nicht streiten können. Und wir wissen ja: Es war oft der schöne Streit über Begriffe, der am nächsten Tag fruchtbar für unser Schreiben war, die Eintracht, die dagegen furchtbare Resultate hervorbrachte.

Vielleicht ist das die richtige Antwort auf die gestellte Frage.

Ettal Empfangsraum

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The Ettal master class took place last Saturday – for the first time without Hans Burkhardt, the man who initiated it back in 1997 as his – back then – Murnau master class. From now on, Christina Schneider (LMU Munich and Hochschule für Philosophie) and myself will be organizing this twice a year. This time Christina invited Ludwig Jaskolla (Hochschule für Philosophie) for a talk on “The Dynamic Self”. My guest was Jörg Noller (LMU Munich) who presented a paper on personhood as a form of life. Life form is Noller’s alternative to moral approaches to personhood (e.g. the animal-rights debate), further to consciousness-focussed theories and the personhood-as-a-construct debate. The two guests know each other and have similar views on personhood.

My only expertise in personhood is based, I suppose, on the bare fact that I am a person myself and this experience makes me propagate the view that my personhood stems from a substance: my substance. This is as old-fashioned as it can be and is probably backed by the fact that I’ve read only the basics of the contemporary hard-problem literature and many many medieval sources on personhood. Nevertheless, I found Noller’s and Jaskolla’s modern stories interesting. Noller thinks that X is a person if and only if X conducts a certain form of life. Jaskolla thinks that Noller’s form of life is not sufficient to form a criterion of personhood and, in Ettal, he pointed to Parfit’s thought experiment of teletransportation in this context. For myself, I think that the importance of Parfit’s thought experiment is overestimated. If we ask a mother who hears that her child has to go through a heart operation whether the original or Parfit’s duplicate with a mended heart would be her child, her answer would be that the only person of the two who is her child is the ill one. Causality would be her criterion for this: the ill child is the one she had in her womb.

Anyway, today I want to express my gratitude to the abbot of the Ettal monastery, father Barnabas Bögle OSB, as well as to father Raphael Muhr, both philosophers, for what they called their typical Benedictine hospitality towards letters and science.

And my gratitude goes also to Christina Schneider who did so much to enable the continuation of Hans’s master class. And, of course, I want to thank her again for defending and completing my argument on privation and multivalued logic. You see, an incomplete argument on privation is not something that teaches us much about privation but, rather, a case of privation. Thanx!

Christina asked me after the event why it is that logicians always have an argument – in the colloquial sense of “argument” of course. Well, I don’t believe that the colloquial sense of “argument” is really different from the technical one. And since the dispute got heated only during the questions, this is an important reason to say thanks to all participants – really tough dialecticians who enjoyed and made me enjoy discussion last Saturday.